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Schutzmasken-Bestellung: Bund muss 86 Millionen Euro zahlen

23.07.2024

Der Bund muss einem Unternehmen, bei dem er in der Corona-Pandemie Schutzmasken Masken bestellt hatte, rund 86 Millionen Euro nebst Zinsen zahlen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschieden. Der Bund befinde sich zudem mit der Annahme von 14.660.000 FFP2-Masken und 10.000.000 OP-Masken im Annahmeverzug, stellte das OLG weiter fest. Erfolglos war die Klage des Maskenlieferanten allein insoweit, als sie auf Erstattung und Freistellung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtet war.

Das klagende Unternehmen habe einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung. Der von der Bundesrepublik erklärte Rücktritt vom Vertrag sei unwirksam, weil sie, obwohl dies erforderlich gewesen sei, keine vorherige Frist zur Leistung gesetzt habe, so das OLG. Die Fristsetzung sei nicht ausnahmsweise gemäß § 323 Absatz 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entbehrlich gewesen. Denn die Parteien hätten ein hierfür erforderliches relatives Fixgeschäft nicht wirksam vereinbart. Die insoweit ausschließlich in den von der Bundesrepublik vorformulierten und damit der AGB-Kontrolle unterfallenden Vertragsbedingungen enthaltene Vereinbarung beziehe sich auf ein absolutes Fixgeschäft. Es sei nicht möglich, diese Vereinbarung als relatives Fixgeschäft auszulegen. Der Wortlaut der Regelung sei insoweit eindeutig, so das OLG. Zudem seien die Rechtsfolgen eines absoluten Fixgeschäfts in der vertraglichen Regelung zutreffend angeführt worden.

Die allein in der Formularvereinbarung getroffene Vereinbarung eines absoluten Fixgeschäftes, mit der die wechselseitigen Vertragspflichten bei Versäumung des Liefertermins entfallen wären, sei jedoch gemäß §§ 305c ff. BGB unwirksam. Es sei höchstrichterlich entschieden, dass eine Formularbestimmung, die der Vereinbarung den Charakter des Fixhandelskaufs beimesse, ebenso überraschend im Sinne des § 305c BGB wie unangemessen im Sinne des § 307 Absatz 1, Absatz 2 Nr. 1 BGB sei. Die völlige Freistellung des Bundes – als Verwender der Klausel – vom Erfordernis der Fristsetzung vor Rücktritt sei jedenfalls wegen einer für die Lieferantin gegebenen unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 307 Absatz 1, Absatz 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Es sei davon auszugehen, dass dem berechtigten Interesse der Bundesrepublik, kurzfristig einwandfreie, sofort verwendbare Schutzmasken zu beschaffen, auch ohne eine solche Klausel und mit Setzung einer kurzen Frist hätte Rechnung getragen werden können. Etwas anderes könne allenfalls gelten, wenn die Voraussetzungen eines relativen Fixgeschäftes auf der Grundlage einer individualvertraglichen Abrede außerhalb der Formularvereinbarung vorlägen. Dass die Parteien eine solche getroffen hätten, sei aber nicht ersichtlich.

Das Unternehmen müsse sich vorliegend auch nicht auf seine vertraglich vereinbarte Vorleistungspflicht verweisen lassen. Denn diese sei nachträglich aufgrund des unberechtigten Rücktritts der Bundesrepublik und deren Festhalten hieran entfallen. Aus diesem Grund könne das Unternehmen seinen Kaufpreisanspruch unbedingt geltend machen, das heißt die Zahlung unmittelbar und nicht erst nach Erfüllung der ihr nach dem Vertrag obliegenden Lieferverpflichtung oder aber Zug um Zug gegen die Erfüllung ihrer vertraglichen Lieferpflichten verlangen.

Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages könne der Bund ebenfalls nicht mit Erfolg geltend machen. Die Einrede könne nicht erheben, wer sich vertragswidrig endgültig von dem Vertrag lossage und die Annahme der Gegenleistung schlechthin abgelehnt habe. Dazu zähle auch die (unberechtigte) Geltendmachung von Rechten, die – wie hier der von der Bundesrepublik erklärte Rücktritt – auf die Beendigung des Vertrages zielen.

Zinsen auf die Hauptforderung stünden der Maskenlieferantin ab dem auf den Eintritt des Schuldnerverzugs folgenden Tag – hier ab dem 05.06.2020 – zu. Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges des Bundes sei (ab dem 28.05.2020) begründet.

Die Anträge auf Erstattung von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen und auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hätten dagegen keinen Erfolg, so das OLG. Denn der Bund habe sich zum Zeitpunkt der Beauftragung der Rechtsanwälte durch den Lieferanten noch nicht in Schuldnerverzug befunden.

Das OLG hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen ist die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof statthaft.

Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 19.07.2024, 6 U 101/23, nicht rechtskräftig

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