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Regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit: Tarifliche Zuschläge dürfen verschieden hoch sein

24.02.2023

Eine Regelung in einem Tarifvertrag, die für unregelmäßige Nachtarbeit einen höheren Zuschlag vorsieht als für regelmäßige Nachtarbeit, verstößt dann nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Artikels 3 Absatz 1 Grundgesetz (GG), wenn ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung gegeben und dieser zudem aus dem Tarifvertrag erkennbar ist. Dies stellt das Bundesarbeitsgericht (BAG) klar und fügt hinzu, dass ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung darin liegen könne, dass mit dem höheren Zuschlag neben den spezifischen Belastungen durch die Nachtarbeit auch die Belastungen durch die geringere Planbarkeit eines Arbeitseinsatzes in unregelmäßiger Nachtarbeit ausgeglichen werden sollen.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Getränkeindustrie. Die Klägerin leistete dort Nachtarbeit im Rahmen eines Wechselschichtmodells. Im Arbeitsverhältnis der Parteien gilt der Manteltarifvertrag zwischen dem Verband der Erfrischungsgetränke-Industrie Berlin und Region Ost e.V. und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Hauptverwaltung vom 24.03.1998 (MTV). Der MTV regelt, dass der Zuschlag zum Stundenentgelt für regelmäßige Nachtarbeit 20 Prozent und für unregelmäßige Nachtarbeit 50 Prozent beträgt. Arbeitnehmer, die Dauernachtarbeit leisten oder in einem Drei-Schicht-Wechsel eingesetzt werden, haben daneben für je 20 geleistete Nachtschichten Anspruch auf einen Tag Schichtfreizeit.

Die Klägerin erhielt für die von ihr geleistete regelmäßige Nachtschichtarbeit den Zuschlag in Höhe von 20 Prozent. Sie hält die unterschiedliche Höhe der Nachtarbeitszuschläge für gleichheitswidrig. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung bestehe unter dem Aspekt des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, auf den es allein ankomme, nicht. Der Anspruch auf Schichtfreizeit beseitige die Ungleichbehandlung nicht, da damit nicht die spezifischen Belastungen durch die Nachtarbeit ausgeglichen würden. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin weitere Nachtarbeitszuschläge in Höhe der Differenz zwischen dem Zuschlag für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit.

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des ArbG abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben. Auf ein Vorabentscheidungsersuchen des BAG (Beschluss vom 09.12.2020,10 AZR 332/20 (A)) hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 07.07.2022 entschieden, dass die Regelung von Nachtarbeitszuschlägen in Tarifverträgen keine Durchführung von Unionsrecht ist (C-257/21). Nachgehend zu dieser Entscheidung hatte die Revision der Beklagten vor dem BAG Erfolg.

Die Regelung im MTV zu unterschiedlich hohen Zuschlägen für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz des Artikels 3 Absatz 1 GG, so das BAG. Arbeitnehmer, die regelmäßige beziehungsweise unregelmäßige Nachtarbeit im Tarifsinn leisten, seien zwar miteinander vergleichbar. Auch würden sie ungleich behandelt, indem für unregelmäßige Nachtarbeit ein höherer Zuschlag gezahlt wird als für regelmäßige Nachtarbeit.

Für diese Ungleichbehandlung sei vorliegend aber ein aus dem Tarifvertrag erkennbarer sachlicher Grund gegeben. Der MTV beinhalte zunächst einen angemessenen Ausgleich für die gesundheitlichen Belastungen sowohl durch regelmäßige als auch durch unregelmäßige Nachtarbeit und habe damit Vorrang vor dem gesetzlichen Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag nach § 6 Absatz 5 Arbeitszeitgesetz. Daneben bezwecke der MTV aber auch, Belastungen für die Beschäftigten, die unregelmäßige Nachtarbeit leisten, wegen der schlechteren Planbarkeit dieser Art der Arbeitseinsätze auszugleichen.

Den Tarifvertragsparteien, so das BAG, sei es im Rahmen der durch Artikel 9 Absatz 3 GG garantierten Tarifautonomie nicht verwehrt, mit einem Nachtarbeitszuschlag neben dem Schutz der Gesundheit weitere Zwecke zu verfolgen. Dieser weitere Zweck ergebe sich aus dem Inhalt der Bestimmungen des MTV. Eine Angemessenheitsprüfung im Hinblick auf die Höhe der Differenz der Zuschläge erfolge nicht. Es liege im Ermessen der Tarifvertragsparteien, wie sie den Aspekt der schlechteren Planbarkeit für die Beschäftigten, die unregelmäßige Nachtarbeit leisten, finanziell bewerten und ausgleichen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.02.2023, 10 AZR 332/20

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