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Quarantäne wegen Corona-Ansteckungsverdachts: Wann der Staat dem Arbeitgeber Zahlungen erstatten muss

09.12.2024

Arbeitgeber können vom Staat keine Erstattung von Zahlungen verlangen, die sie an ihre Arbeitnehmer für einen Zeitraum geleistet haben, in dem diese sich wegen des Verdachts der Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in häuslicher Quarantäne befanden, wenn den Arbeitnehmern ein Anspruch auf Weiterzahlung ihres Arbeitsentgelts zustand. Ein solcher Anspruch konnte sich aus § 616 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ergeben, wenn der Arbeitnehmer für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an der Arbeitsleistung gehindert war. Dies sei im Frühsommer 2020 bei einer Quarantänedauer von bis zu 14 vollen Tagen der Fall gewesen, so das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG).

Geklagt hatten Unternehmen, die im Rahmen von Werkverträgen für Unternehmen der Fleischverarbeitung tätig wurden und 2020 von diesen unter anderem mit Zerlegungsarbeiten beauftragt worden waren. Im Mai und Juni 2020 wurde an zwei Standorten, an denen die Arbeitnehmer der Klägerinnen eingesetzt waren, festgestellt, dass viele Beschäftigte mit dem Coronavirus infiziert war. Als Reaktion hierauf ergingen gegenüber den Arbeitnehmern der Klägerinnen Anordnungen, sich in häusliche Quarantäne abzusondern.

Für die Dauer der Absonderungen leisteten die Klägerinnen unter anderem an zwei Arbeitnehmer, deren Absonderungen den vorliegenden Verfahren zugrunde liegen, Zahlungen in Höhe des vereinbarten Arbeitsentgelts und führten Sozialversicherungsbeiträge ab. Anschließend beantragten sie beim beklagten Land die Erstattung der gezahlten Beträge nach § 56 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). § 56 Absatz 1 Satz 1 und 2 IfSG in der damals maßgeblichen Fassung sah vor, dass unter anderem Personen, die auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes als Ansteckungsverdächtige abgesondert wurden und dadurch einen Verdienstausfall erlitten, eine Entschädigung erhielten. Diese hatte der Arbeitgeber auszuzahlen, dem sie dann von Behördenseite erstattet wurde (§ 56 Abs. 5 IfSG).

Die Erstattungsanträge der Klägerinnen wurden von der zuständigen Behörde abgelehnt. Die hiergegen erhobenen Klagen waren vor den Verwaltungsgerichten erfolgreich. Auf die Berufung des beklagten Landes hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) sie abgewiesen. Die betroffenen Arbeitnehmer hätten durch die Absonderung keinen Verdienstausfall erlitten, der für den Entschädigungsanspruch erforderlich sei. Die Klägerinnen seien nach § 616 Satz 1 BGB verpflichtet gewesen, ihren Arbeitnehmern für die Zeit der Absonderung – im Verfahren 3 C 7.23 fünf Wochen, im anderen Verfahren 14 volle Tage – die im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung weiter zu zahlen, weil sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne ihr Verschulden an der Dienstleistung verhindert gewesen seien.

Im Fall der fünfwöchigen Quarantäne hat das BVerwG auf die Revision der Klägerin das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Annahme des OVG, vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles sei regelmäßig eine bis zu sechs Wochen dauernde Absonderung eines Ansteckungsverdächtigen jedenfalls dann als verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne des § 616 Satz 1 BGB zu qualifizieren, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Absonderung in einem unbefristeten, ungekündigten Arbeitsverhältnis außerhalb der Probezeit steht, sei nicht mit Bundesrecht vereinbar. Welche Zeit der Verhinderung verhältnismäßig nicht erheblich im Sinne des § 616 Satz 1 BGB ist, richte sich nach den Umständen des Einzelfalls. Hier komme es insbesondere auf die Eigenart der Verhinderung an.

Danach war laut BVerwG im Fall einer infektionsschutzrechtlichen Absonderungsverfügung wegen des Verdachts der Ansteckung mit SARS-CoV-2 im Frühsommer 2020 eine an der maximalen Inkubationszeit orientierte Absonderungsdauer von 14 vollen Tagen eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne des § 616 Satz 1 BGB. Die fünfwöchige Quarantänedauer des Arbeitnehmers im Verfahren 3 C 7.23 schloss demzufolge einen Weiterzahlungsanspruch nach § 616 Satz 1 BGB aus. Ob der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Weiterzahlung nach § 326 Absatz 2 Satz 1 Var. 1 BGB hatte, weil die Klägerin für die Umstände, die den Ansteckungsverdacht und die daraus folgende Arbeitsverhinderung begründeten, allein oder weit überwiegend verantwortlich war, konnte das BVerwG mangels tatsächlicher Feststellungen nicht entscheiden; die Sache war damit an das OVG zurückzuverweisen.

Im Verfahren 3 C 8.23 hat das BVerwG demgegenüber die Revision der Klägerin zurückgewiesen, weil das OVG angesichts der Quarantänedauer von 14 vollen Tagen im Ergebnis zu Recht angenommen hatte, dass dem Arbeitnehmer ein Weiterzahlungsanspruch gegen die Klägerin nach § 616 Satz 1 BGB zustand, sodass der Arbeitgeber eine Erstattung nicht verlangen kann.

Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 05.12.2024, BVerwG 3 C 7.23 und BVerwG 3 C 8.23

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