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Progressionsvorbehalt: Nicht für nach § 3 Nr. 6 EStG steuerfreie Versorgungsbezüge aus Drittstaat

03.01.2023

Die nach einem Doppelbesteuerungsabkommen steuerfreien Einkünfte unterliegen keinem Progressionsvorbehalt, wenn sich ihre – weitergehende – Steuerfreiheit im Inland aus nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünften ergibt (hier: § 3 Nr. 6 Einkommensteuergesetz – EStG). Die Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 6 EStG findet laut Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg auch bei der Invaliditätsentschädigung eines Wehrdienst- beziehungsweise Kriegsgeschädigten aus öffentlichen Mitteln eines Drittstaates Anwendung.

Die Kläger sind für das Streitjahr 2020 zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger hatte den US-Streitkräften angehört und war im Einsatz körperlich schwerstgeschädigt worden und ist seitdem behindert. Aufgrund seiner Beeinträchtigungen bezog er auch im Streitjahr von der US-Bundesregierung, eine Invaliditätsentschädigung (disability compensation), die in der Einkommensteuererklärung als nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA (DBA USA) steuerfreie sonstige Einkünfte angegeben waren. Das beklagte Finanzamt berücksichtigte bei der Berechnung des Steuersatzes die steuerfreien sonstigen Einkünfte des Klägers nach dem Progressionsvorbehalt gemäß § 32b EStG. Hiergegen machten die Kläger geltend, der Progressionsvorbehalt sei nicht anwendbar, weil dem § 3 Nr. 6 EStG entgegenstehe. Die erhaltenen Zahlungen seien mit den in § 3 Nr. 6 EStG genannten Bezügen vergleichbar, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften aus öffentlichen Mitteln versorgungshalber an Wehrdienst- und Kriegsbeschädigte bezahlt werden. Das sei auch bei Zahlungen eines Drittstaates (USA) der Fall. Das Finanzamt meint, § 3 Nr. 6 EStG erfasse nur Bezüge aus der Kasse eines EU-Mitgliedstaates.

Das FG folgte der Auffassung der Kläger und gab der Klage statt. Gemäß § 32b Absatz 1 S. 1 Nr. 3 EStG sei auf das nach § 32a Absatz 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz anzuwenden (§ 32b Absatz 2 EStG), wenn der Steuerpflichtige Einkünfte bezogen habe, die nach einem DBA steuerfrei seien. Allerdings enthalte § 32b EStG keinen allgemeinen Progressionsvorbehalt in dem Sinne, dass sämtliche steuerfreien Einkünfte und Bezüge darunterfielen. Vielmehr beschränke sich der Anwendungsbereich von § 32b EStG nur auf die darin aufgeführten besonderen Steuerfreiheiten. Mithin sei und bleibe eine bezogene Leistung insgesamt steuerfrei und unterliege auch nicht dem Progressionsvorbehalt, wenn sich ihre – weitergehende – Steuerfreiheit zum Beispiel aus § 3 EStG ergebe. Dies gelte auch für die Steuerfreiheit von Bezügen gemäß § 3 Nr. 6 EStG.

Gemäß § 3 Nr. 6 S. 1 EStG seien Bezüge steuerfrei, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften aus öffentlichen Mitteln versorgungshalber an Wehrdienstbeschädigte, im Freiwilligen Wehrdienst Beschädigte, Zivildienstbeschädigte und im Bundesfreiwilligendienst Beschädigte oder ihre Hinterbliebenen, Kriegsbeschädigte, Kriegshinterbliebene und ihnen gleichgestellte Personen gezahlt würden, soweit es sich nicht um Bezüge handle, die aufgrund der Dienstzeit gewährt würden. Dabei greife die vollständige Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 6 EStG insbesondere auch dann ein, wenn die Leistung nicht aus in-, sondern aus ausländischen Mitteln, das heißt aus öffentlichen Mitteln irgendeines Staates bezogen wird. Der Wortlaut der Norm sei weit gefasst und spreche allgemein von "aus öffentlichen Mitteln", ohne die Quelle der Mittel einzuschränken. Auch aus der Gesetzessystematik ergebe sich keine Einschränkung. Ferner lasse sich den § 3 Nr. 6 EStG zugrunde liegenden Gesetzgebungsmaterialien keine dahingehende Einschränkung entnehmen.

Schließlich sei auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift keine solche Einschränkung geboten. Denn die ratio legis von § 3 Nr. 6 EStG als Sozialzwecknorm bestehe darin, dass sich zwar die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mit den erhaltenen Bezügen an sich erhöht habe, aber diese gemäß den zugrundeliegenden sozialrechtlichen Bestimmungen einem speziellen Versorgungsbedürfnis des Steuerpflichtigen geschuldet und die Bezüge dieses abzudecken bestimmt seien. Diese Zielrichtung mit Blick auf den Versorgungscharakter spreche dafür, dass der Herkunft der Mittel keine erhebliche Bedeutung zukomme, solange es sich um öffentliche handele.

Die dem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Kläger gewährten Bezüge unterfielen dem § 3 Nr. 6 EStG. Die Invaliditätsentschädigung sei dem Kläger vom Staat (den USA) auf der Grundlage bundesrechtlicher Vorschriften, dem U.S. Code, Title 38, Chapter 11, und damit aufgrund gesetzlicher Vorschriften gewährt worden. Die Entschädigung sei demnach versorgungshalber gewährt worden, nämlich nur um der besonderen versorgungsrechtlichen Situation des Klägers infolge einer im Dienst erlittenen erheblichen Schädigung Rechnung zu tragen. Der Kläger sei als Dienstgeschädigter einem (Bundes-) Wehrdienstgeschädigtem vergleichbar; von Letzterem unterscheide er sich nur insofern, als er nicht Angehöriger der deutschen, sondern der US-amerikanischen Streitkräfte gewesen sei. Dass schließlich die streitgegenständlichen Bezüge nicht aus inländischen oder EU-ausländischen Mitteln, sondern aus öffentlichen Mitteln eines Drittstaats (USA) stammten, stehe einer Anwendung von § 3 Nr. 6 EStG aus den oben genannten Gründen nicht entgegen.

Gegen das Urteil wurde beim Bundesfinanzhof Revision eingelegt (I R 22/22).

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 09.05.2022, 9 K 2651/21, nicht rechtskräftig

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