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Pflegekammer Niedersachsen: Muss Pressemitteilung «Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden» vorläufig von Homepage entfernen
Die Pflegekammer Niedersachsen muss die Pressemitteilung "Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden" der Pflegekammer Niedersachsen vom 07.09.2020 vorläufig von ihrer Homepage entfernen. Dies hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Niedersachsen entschieden.
Die Pflegekammer Niedersachsen ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Aufgabe unter anderem die Wahrnehmung der beruflichen Belange von Pflegefachpersonen ist. In der Vergangenheit gab es teils erhebliche Widerstände gegen die Gründung einer Pflegekammer, gegen deren Tätigkeit und die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft. Die Rechtmäßigkeit der Pflichtmitgliedschaft war Gegenstand mehrerer gerichtlicher Verfahren. Eine Online-Befragung unter den circa 78.000 Mitgliedern der Pflegekammer, an der circa 15.100 Mitglieder teilnahmen, ergab, dass sich über 70 Prozent der Antwortenden für die Abschaffung der Pflegekammer aussprachen. Daraufhin erklärte die Ministerin für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Niedersachsen ihre Absicht, die Auflösung der Pflegekammer Niedersachsen einzuleiten. Die Pflegekammer veröffentlichte am 07.09.2020 auf ihrer Internetseite eine Pressemitteilung unter dem Titel "Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden", mit der sie sich für ihren Erhalt aussprach. Aus dem Ergebnis der durchgeführten Umfrage könne kein Auftrag abgeleitet werden, die Pflegekammer in Frage zu stellen, da nur circa 19 Prozent an dieser teilgenommen hätten.
Die Antragstellerin, die selbst Mitglied der Pflegekammer ist, stellte daraufhin einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht (VG) Hannover, die Pressemitteilung mit sofortiger Wirkung von der Homepage zu entfernen. Dem Antrag gab das VG mit Beschluss vom 24.09.2020 (7 B 4667/20) mit der Begründung statt, der Inhalt der Pressemitteilung werde dem Sachlichkeitsgebot an zwei Stellen nicht gerecht und lasse insgesamt eine ausreichende Darstellung der Gegenposition vermissen.
Das OVG hat die Entscheidung des VG bestätigt und die Beschwerde zurückgewiesen. Danach gelten für Äußerungen der Pflegekammer als Berufskammer mit Pflichtmitgliedschaft bestimmte rechtliche Anforderungen. Unter anderem müssten sie sachlich und objektiv sein. Inhalt der Äußerungen dürfe kein Teil- und auch kein Mehrheitsinteresse sein. Die Pflichtmitgliedschaft bringe es mit sich, dass ein Gesamtinteresse der Kammermitglieder vermittelt werden müsse, das durch Abwägung und Ausgleich auch widerstreitender Interessen ermittelt werde.
Im Fall höchst umstrittener Fragen dürfe die Pflegekammer ihre Mehrheitsauffassung nicht apodiktisch mitteilen, sondern müsse zugleich die Minderheitsauffassung(en) offenlegen und die zur Mehrheitsauffassung führende Abwägung der verschiedenen Positionen erkennbar machen. In bedeutenden und unter den Kammermitgliedern unterschiedlich beurteilten Angelegenheiten obliege die Bildung dieses Gesamtinteresses der gewählten Kammerversammlung. Habe die Kammerversammlung in einer bedeutenden und unterschiedlich beurteilten Angelegenheit noch nicht zumindest eine grundsätzliche Festlegung des Gesamtinteresses getroffen, so könne der Vorstand – der im Allgemeinen für die Pressearbeit zuständig sei – in dieser Angelegenheit in der Öffentlichkeit noch nicht Position beziehen. Die damit verbundene Einschränkung der öffentlichen Interessenvertretung bei einzelnen Themen sei unvermeidlich, weil die Pflegekammer als Berufskammer mit Pflichtmitgliedschaft in grundsätzlich anderer Weise tätig werde als ein privater Interessenverband.
Die Pressemitteilung "Pflege darf nicht auf stumm geschaltet werden" habe für den Erhalt der Pflegekammer Stellung bezogen, ohne die Gegenposition ausreichend darzustellen und die zur Bildung des Gesamtinteresses führende Abwägung erkennbar zu machen. Das sei bei diesem Thema erforderlich, betont das OVG, weil ein erheblicher Teil der Mitglieder gegen die weitere Tätigkeit der Pflegekammer sei. Das Thema sei außerdem so bedeutend, dass nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses der Online-Befragung eine grundsätzliche Positionierung durch die Kammerversammlung erforderlich gewesen sei, an der es am 07.09.2020 gefehlt habe. Zudem entsprächen zwei Formulierungen nicht dem Sachlichkeitsgebot.
Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 22.10.2020, 8 ME 99/20, unanfechtbar