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Pauschbetrag für Erbfallkosten: Kann auch vom Vorerben in Anspruch genommen werden
Neben dem Vorerben kann auch der Nacherbe den Pauschbetrag für Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) in Anspruch nehmen. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt unter Änderung seiner Rechtsprechung entschieden hat, setzt der Abzug des Pauschbetrags nicht den Nachweis voraus, dass zumindest dem Grunde nach tatsächlich Kosten angefallen sind.
Im Januar 2013 verstarb die Tante der Klägerin. Als Vorerbe war deren Ehemann, als Nacherbin die Klägerin berufen. Im Mai 2013 verstarb auch der Ehemann der Tante. Zu dessen Erbin war ebenfalls die Klägerin berufen, die dieses Erbe jedoch ausschlug. Der Klägerin entstanden aufgrund der Nacherbschaft Kosten von 40 Euro beim Nachlassgericht. Der Vorerbe hatte keine Kosten im Sinne des § 10 Absatz 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG geltend gemacht. Aufgrund des ihm zukommenden Freibetrags für Ehegatten erfolgte keine Festsetzung der Erbschaftsteuer.
Das beklagte Finanzamt setzte die Erbschaftsteuer für die Nacherbschaft gegenüber der Klägerin ohne Berücksichtigung von Nachlassverbindlichkeiten fest. Im Klageverfahren machte die Klägerin den Pauschbetrag nach § 10 Absatz 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG geltend. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Revision des Finanzamts blieb erfolglos. Das FG habe zu Recht entschieden, dass die Erbschaftsteuerpauschale steuermindernd zu berücksichtigen sei, so der BFH.
Nach § 10 Absatz 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG werde für die in § 10 Absatz 5 Satz 1 ErbStG genannten Kosten insgesamt ein Betrag von 10.300 Euro ohne Nachweis abgezogen. Der Betrag sei für jeden Erbfall nur einmal zu gewähren, namentlich für mehrere Miterben nur einmal. Die Abfolge von Vor- und Nacherbfall stelle jedoch erbschaftsteuerrechtlich nicht einen Erbfall mit mehreren Erben dar, so der BFH. Vielmehr seien die beiden Vorgänge als zwei getrennte Erbfälle zu behandeln.
Der Umstand, dass bei Vor- und Nacherbschaft bezogen auf den ursprünglichen Erblasser nur ein Todesfall zu verzeichnen ist, verlange nach keiner teleologischen Reduktion der Vorschrift. Es möge zutreffen, dass der Pauschbetrag auch die Beerdigungskosten erfassen soll und ursprünglich der Höhe nach auch daran ausgerichtet war. Richtig sei somit, dass bei zweimaliger Gewährung der Pauschale auch die Beerdigungskosten zwei Mal typisierend berücksichtigt werden, obwohl sie nicht zwei Mal anfallen. Der Pauschbetrag umfasse aber nicht nur Beerdigungskosten, sondern diene außerdem dazu, Nachlassregelungskosten im weiteren Sinne abzugelten. Nachlassregelungskosten könnten jedoch ohne Weiteres zwei Mal in jeweils unbegrenzter Höhe anfallen. Sie fielen in unterschiedlicher Höhe typischerweise auch in einem Nacherbfall an. Der Ansatz der Kostenpauschale diene der Vereinfachung der Steuerfestsetzung. Dies gelte auch im Nacherbfall, und zwar unabhängig davon, ob der Nacherbe außerdem zivilrechtlich Erbe des Vorerben wird.
Der Abzug des Pauschbetrags setze nicht den Nachweis voraus, dass zumindest dem Grunde nach tatsächlich Kosten angefallen sind, die der Pauschbetrag erfasst, fährt der BFH fort. Das Gesetz gehe zutreffend davon aus, dass mit dem Erbanfall typischerweise entsprechende Kosten entstehen. Der Abzug der Pauschale sei nach dem Gesetzeswortlaut ausdrücklich ohne Nachweis möglich. Ein Nachweis darüber, dass Kosten dem Grunde nach entstanden sind, würde dem Vereinfachungszweck entgegenstehen. Anderenfalls müsste der Erwerber zunächst nachweisen, dass Kosten entstanden sind, um anschließend – ohne Nachweis – die Kosten in Höhe des Pauschbetrags geltend machen zu können. Soweit der Senat in früheren Entscheidungen eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, halte er daran ausdrücklich nicht mehr fest.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.02.2023, II R 3/20