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Musterfeststellungsklage: Fehlende Klagebefugnis eines Verbraucherschutzvereins

19.11.2020

Die von dem Musterkläger, einem Verbraucherschutzverein, erhobene Musterfeststellungsklage ist unzulässig, weil der Musterkläger die für die Klagebefugnis erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Der Musterkläger begehrt im Wege der Musterfeststellungsklage die Feststellung, dass Pflichtangaben in Verbraucherdarlehensverträgen, die die beklagte Bank mit Verbrauchern zum Zweck der Finanzierung von Kraftfahrzeug-Kaufverträgen abgeschlossen hat, den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechen, aus diesem Grund die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hat und im Fall eines wirksamen Widerrufs bei der Rückabwicklung des Darlehensvertrages kein Ersatz für Wertverluste des Kraftfahrzeugs zu leisten ist.

Der satzungsmäßige Zweck des Musterklägers besteht darin, Verbraucher vor unredlichen Finanzdienstleistern zu schützen. Die Verwirklichung des Vereinszwecks strebt er nach § 5 seiner Satzung unter anderem dadurch an, dass er gegen Regelungen, die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind, und gegen Verhaltensweisen von Finanzdienstleistern vorgeht, die der zugunsten der Verbraucher bestehenden Rechtslage widersprechen, und dass er zur Durchsetzung solcher Maßnahmen bei Bedarf gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt. Das Oberlandesgericht (OLG) hat die Musterfeststellungsklage als unzulässig abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision war erfolglos.

Der BGH hat entschieden, dass die Musterfeststellungsklage unzulässig ist, weil sie nicht von einer qualifizierten Einrichtung nach § 606 Absatz 3 Nr. 1, Absatz 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) erhoben worden ist. Bei den in § 606 Absatz 1 Satz 2 ZPO genannten Voraussetzungen handele es sich um besondere Voraussetzungen der Klagebefugnis, die der Musterkläger nicht alle erfüllt. Dieser habe nicht schlüssig vorgetragen, dass er gemäß § 606 Absatz 3 Nr. 1, Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO mindestens 350 natürliche Personen als Mitglieder hat.

Darüber hinaus ergebe sich aus seinem Vortrag nicht, dass er gemäß § 606 Absatz 3 Nr. 1, Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 ZPO in Erfüllung seiner satzungsmäßigen Aufgaben Verbraucherinteressen weitgehend durch nicht gewerbsmäßige aufklärende oder beratende Tätigkeiten wahrnimmt. Entscheidend für die Erfüllung dieser Voraussetzung sei, dass der Verbraucherschutz, der durch die tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten des Vereins erzielt wird, bei wertender Gesamtbetrachtung ganz maßgebend auf eine nicht gewerbsmäßige Aufklärung oder Beratung zurückzuführen ist und die (außer)gerichtliche Geltendmachung von Verbraucherinteressen nur eine untergeordnete Rolle daneben hat.

Die Tätigkeit des Musterklägers bestehe allerdings ganz überwiegend darin, durch Analyse der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Kreditinstituten Rechtsverstöße zu identifizieren, die betreffenden Institute mit anwaltlicher Hilfe abzumahnen und die Fehlerhaftigkeit der Geschäftsbedingungen anschließend gerichtlich durchzusetzen. So habe der Musterkläger nach den von ihm vorgelegten Presseberichten "in knapp 3.400 Fällen Gebühren abgemahnt" und in "hunderten von Fällen" Klage erhoben. Zwischen 97 und 99 Prozent der Einnahmen des Musterklägers im Jahr 2017 und im ersten Halbjahr 2018 stammten aus dem Bereich der gerichtlichen und außergerichtlichen Anspruchsdurchsetzung, sodass diese Einnahmen die Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen um ein Vielfaches übersteigen. Damit spreche auch die Einnahmenstruktur des Musterklägers dafür, dass die (außer)gerichtliche Geltendmachung von Verbraucherinteressen beim Schutz der Verbraucher vor unredlichen Geschäftspraktiken keine nur untergeordnete Rolle spielt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.11.2020, XI ZR 171/19

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