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Münchener Gastwirt: Erhält von Betriebsschließungsversicherung Millionenentschädigung

02.10.2020

Wegen der coronabedingten Schließung seiner Wirtschaft muss eine Versicherung einem Münchener Gastronomen 1.014.000 Euro Entschädigung zahlen. Dies hat das Landgericht (LG) München I entschieden. Der Gastwirt hatte die Betriebsschließungsversicherung erst Anfang März 2020 abgeschlossen.

Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hatte den Betrieb des Gastwirts ab dem 21.03.2020 aufgrund des Coronavirus geschlossen. Entgegen der Ansicht der beklagten Versicherung kommt es laut LG München I auf die Rechtsform und die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung nicht an. Der Kläger habe auch nicht gegen die Anordnungen vorgehen müssen. Zudem sei es nicht erforderlich, dass das Coronavirus im Betrieb des Klägers auftrete, denn nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) komme es lediglich darauf an, dass der Betrieb des Klägers aufgrund des Infektionsschutzgesetzes geschlossen worden sei. Dies sei der Fall gewesen, nachdem sich die Allgemeinverfügung des Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vom 21.03.2020 und die nachfolgende Verordnung vom 24.03.2020 ausdrücklich auf die Ermächtigungsgrundlagen in §§ 28 bis 32 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)bezogen hätten.

Der Betrieb des Klägers sei vollständig geschlossen gewesen, nachdem in der fraglichen Zeit tatsächlich kein Außerhausverkauf stattfand und letzterer dem Kläger auch unzumutbar gewesen sei. Das LG betont, dass ein Außerhausverkauf, wenn er für den Restaurantbetrieb lediglich ein vollkommen untergeordnetes Mitnahmegeschäft sei, keine unternehmerische Alternative darstelle, auf die sich der Versicherungsnehmer verweisen lassen müsse. Der Versicherungsumfang sei auch nicht durch § 1 Ziffer 2 AVB eingeschränkt, denn die Parteien hätten den Versicherungsvertrag am 04.03.2020 – mithin während der Pandemie und im Hinblick darauf – abgeschlossen. Unabhängig davon sei § 1 Ziffer 2 AVB der beklagten Versicherung intransparent und daher unwirksam. Werde der Versicherungsschutz durch eine AVB-Klausel eingeschränkt, müsse dem Versicherungsnehmer deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel bestehe.

Diesen Anforderungen werde § 1 Ziffer 2 AVB nicht gerecht. Denn der Versicherungsnehmer gehe auf Basis des Wortlauts von § 1 Ziffer 1 AVB davon aus, dass der Versicherungsschutz dem Grunde nach umfassend sei und sich mit dem IfSG decke. Er gehe aufgrund des Wortlauts und der Verweisung in § 1 Ziffer 1 AVB zudem davon aus, dass in § 1 Ziffer 2 AVB eine bloße Wiedergabe der gesetzlich erfassten Krankheiten und Krankheitserreger erfolge und nur in § 3 AVB Einschränkungen enthalten seien. Die Auflistung der Krankheiten und Krankheitserreger sei jedoch im Vergleich zum IfSG unvollständig. Außerdem sei das Infektionsschutzgesetz seit dessen Einführung vor 20 Jahren bereits mehrfach geändert und um weitere Krankheiten und Erreger ergänzt worden. Dies bliebe dem Versicherungsnehmer verborgen und damit müsse er auch nicht rechnen. Um den wahren Gehalt des Versicherungsschutzes zu erfassen, müsste der Versicherungsnehmer letztlich die Auflistung in § 1 Ziffer 2 AVB Wort für Wort mit der aktuellen geltenden Fassung des IfSG vergleichen. Eine Klausel, deren Tragweite nur durch den Vergleich mit einer gesetzlichen Vorschrift erkennbar sei, die aber dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer dieser Versicherung nicht bekannt sei, sei intransparent. Im Hinblick auf die Höhe der zu zahlenden Entschädigung seien weder Kurzarbeitergeld noch staatliche Corona-Liquiditätshilfen anspruchsmindernd zu berücksichtigen, da es sich hierbei nicht um Schadensersatzzahlungen gerade für Betriebsschließungen handele. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Inzwischen sind in dem Verfahrenskomplex "Betriebsschließungsversicherung" am LG München I 86 Klagen eingegangen, wie das Gericht mitteilt.

LG München I, Urteil vom 01.10.2020, 12 O 5895/20, nicht rechtskräftig

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