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Möglicher künftiger Ausfall allein betreuenden Elternteils: Rechtfertigt keine staatlichen Eingriffe ins Elternrecht

10.01.2023

Die Möglichkeit, dass der allein betreuende Elternteil eines schwer behinderten Kindes zukünftig ausfällt, stellt keine gegenwärtige Kindeswohlgefährdung dar, die Eingriffe in das Elternrecht nach § 1666 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) rechtfertigen könnte. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig entschieden.

Ist das geistige, seelische oder körperliche Wohl von Kindern durch das Verhalten der sorgeberechtigten Eltern gefährdet, obliegt es dem Staat, die Kinder zu schützen. § 1666 BGB ermöglicht es den Familiengerichten in solchen Fällen, in das Sorgerecht der Eltern einzugreifen. Eingriffe in das Elternrecht kommen danach immer nur dann in Betracht, wenn von einer konkreten Gefahr für das Kind auszugehen ist. Das Gericht hat dabei auf Grundlage der Ermittlungen zu entscheiden, ob eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr vorliegt, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt.

Im zugrunde liegenden Fall hatte das Familiengericht der alleinsorgeberechtigten Mutter in erster Instanz nach umfangreichen Ermittlungen Teile der elterlichen Sorge entzogen, um eine Unterbringung ihres 14-jährigen Kindes zu erreichen. Das Kind leidet unter frühkindlichem Autismus und hat einen sehr hohen Betreuungs- und Förderbedarf. Die Mutter werde langfristig nicht in der Lage sein, die Betreuung und Versorgung ohne Gefahr für das Wohl des Kindes sicherzustellen, so das Familiengericht. Zwar habe der eingesetzte Sachverständige der Mutter die Betreuung zunächst zugetraut. Jedoch sei damit zu rechnen, dass diese mit fortschreitendem Alter ausfalle beziehungsweise nicht mehr in der Lage sei, auf ihr Kind einzuwirken. Sie werde von den Beteiligten auch als sehr liebevolle Mutter wahrgenommen, fördere ihr Kind aber nicht ausreichend. Langfristig lasse sich daher eine Unterbringung nicht vermeiden.

Diese Entscheidung hat das OLG Braunschweig aufgehoben. Folge ist, dass die elterliche Sorge bei der Mutter verbleibt. Die Möglichkeit, dass ein allein betreuender Elternteil eines schwer behinderten Kindes zukünftig ausfällt, stelle keine gegenwärtige Kindeswohlgefährdung dar, betont das OLG. Die vorbeugende Fremdunterbringung zum Zweck einer für das Kind vorteilhaften frühzeitigen Eingewöhnung in einer Einrichtung ohne konkreten Anlass rechtfertige den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Gesundheitsfürsorge nicht.

Auch der Vorwurf, dass das Kind nicht die bestmögliche Förderung erhalte, begründe keine Gefährdung des Kindeswohls, betont das OLG. Sowohl die Mutter als auch die umfassende Betreuung des Kindes in der Schule stellten sicher, dass die unverzichtbaren Bedürfnisse des Kindes gewährleistet würden. Eingriffe in das Sorgerecht, um eine optimale Förderung zu erzwingen, seien hingegen vom Kinderschutzrecht – auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts – nicht von dem Wächteramt erfasst.

Das OLG hat ferner berücksichtigt, dass die Unterbringung des Kindes zum jetzigen Zeitpunkt seine Gesamtsituation nicht verbessern würde, da die psychische Belastung durch die Trennung von der Mutter und seinem bekannten Umfeld schwerer wiege.

Oberlandesgericht Braunschweig, Beschluss vom 22.12.2022, 2 UF 122/22

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