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Lindner: Höhere Steuern sind nicht nötig
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hält eine höhere Steuerlast weder für nötig noch für ökonomisch sinnvoll. Dies geht aus einem Gastbeitrag des Ministers für die "Rheinische Post" hervor, der auf den Seiten des Bundesfinanzministeriums (BMF) veröffentlicht ist.
Zwar bestehe derzeit aufgrund der noch immer nicht überwundenen Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine eine Ausnahmesituation, die den Staat vor enorme Aufgaben stelle. Denn Pandemie und Krieg hätten auch wirtschaftliche Folgen für Deutschland, und zwar sowohl für private Haushalte als auch für Betriebe, die zum Beispiel unter steigenden Energiepreisen litten. Die Bundesregierung bringe deshalb zum einen Entlastungspakete auf den Weg – von Steuersenkungen über Einmalzahlungen bis zu einem Steuerrabatt an der Zapfsäule. Zum anderen gebe es Wirtschaftshilfen, um Arbeitsplätze zu erhalten und Strukturbrüche zu verhindern. All diese Maßnahmen seien aber befristet, "gezielt und auslaufend", betont Lindner. Es handele sich um einen "Stoßdämpfer", der einen Schock verhindern solle, ohne die notwendigen Veränderungen in der Marktwirtschaft zu bremsen.
Viele forderten nun höhere Steuern. Zum Beispiel fordere Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), den Solidaritätszuschlag wieder voll einzuführen. Dieser Vorschlag würde die arbeitende Mitte der Gesellschaft voll treffen, gibt Lindner zu bedenken – in einem Umfeld mit ohnehin steigenden Lebenshaltungskosten. Die gerade erst von der Ampel beschlossenen Steuersenkungen würden wieder eingesammelt. Man dürfe vermuten, dass die Folge steigende Lohnforderungen und damit neue Inflationssignale wären.
Deutschland sei bereits ein Höchststeuerland, erinnert Lindner. Die Belastung eines durchschnittlich verdienenden Singles mit Steuern und Abgaben habe in Deutschland zuletzt 49,1 Prozent betragen. Unter den OECD-Staaten verlange nur Belgien mehr von seinen Bürgern. Nachdem Länder wie die USA und Frankreich die Unternehmenssteuern gesenkt haben, liege Deutschland dort weit vorne.
Es gebe auch keinen Mangel an Fairness, meint der Bundesfinanzminister. Wer mehr verdient, zahle einen höheren Prozentsatz. Den Spitzentarif zahlten nicht etwa Fußballprofis oder Topmanager, sondern schon qualifizierte Fachkräfte. Mag es beim Bruttoeinkommen noch größere Einkommensunterschiede geben, so würden diese nach der Besteuerung im Netto reduziert. Im Ergebnis trage heute ein Drittel der Steuerzahlenden knapp 80 Prozent des Aufkommens. "Mit einer höheren Belastung der leistungsbereiten Mitte gewinnen wir nicht Fairness, sondern verlieren an Fairness", meint Lindner.
Oft werde ein Zusammenhang zwischen höheren Steuern und Zukunftsinvestitionen hergestellt. Dabei wird nach Ansicht Lindners verkannt, dass das Gros der Mittel für saubere Technologien, Energieeffizienz und Digitalisierung aus der Privatwirtschaft stammt – und auch stammen soll, weil erst unternehmerisches Risiko und Haftung für sorgsamen Umgang mit Ressourcen sorgten. Höhere Steuern machten "unseren Standort aber weniger attraktiv für privates Kapital, das wir aktivieren müssen". Die Mittel würden dann woanders investiert – und fehlten bei uns, um Fortschritt zu schaffen. Die einfache Rechnung gehe nicht auf, mit einer höheren Steuerquote die Schuldenquote zu reduzieren, weil man zuvor das Wachstum abgewürgt habe, so Lindner.
Tatsächlich seien öffentliche Investitionen nötig. Dafür habe er bis 2026 gut 400 Milliarden Euro in den Haushalten und im Klima- und Transformationsfonds eingeplant – ohne Steuererhöhungen. Die Herausforderung werde nicht sein, noch mehr Geld zu mobilisieren, sondern die vorhandenen Mittel gut einzusetzen, unterstreicht Lindner. "Denn wir haben Kapazitätsgrenzen und viel zu bürokratische Planungs- und Genehmigungsverfahren. Sie zu erweitern und zu beschleunigen, darauf müssen wir uns konzentrieren".
Hinter der Forderung nach höheren Steuern steht aus Sicht des Finanzministers im Kern eines: der Appetit nach Umverteilung und populären Konsumausgaben. Die Politik könne aber auf Dauer nur ausgeben, was vorher erwirtschaftet wurde. Die Ampelkoalition habe auf Betreiben der FDP als Leitplanken beschlossen, nach der Krise zur Schuldenbremse zurückzukehren und auf Steuererhöhungen zu verzichten. "Als Finanzminister fühle ich mich daran gebunden", so Lindner abschließend.
Bundesfinanzministerium, PM vom 16.04.2022