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Klassenfahrt wegen COVID-19 storniert: Reisepreis voll zu erstatten

15.09.2021

Bei einer infolge der der COVID-19-Pandemie stornierten Klassenfahrt kann der Reisepreis zurückverlangt werden. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in Bezug auf eine Klassenfahrt entschieden, die Mitte März 2020 hatte stattfinden und nach Liverpool hatte gehen sollen. Dass zum damaligen noch keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorgelegen hatte, hielt das OLG für unbeachtlich.

Die klagende Stiftung ist die Trägerin einer Schule in Niedersachsen. Anfang 2020 buchte eine an dieser Schule beschäftigte Lehrerin bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Klassenfahrt nach Liverpool vom 15.03.2020 bis zum 21.03.2020. Den in Rechnung gestellten Reisepreis von fast 10.000 Euro zahlte die klagende Stiftung. Am 12.03.2020 stornierte die Lehrkraft die Reise. Die Reiseveranstalterin erstattete allerdings nur einen Betrag von knapp 1.000 Euro.

Mit ihrer Klage verlangt die Stiftung von der Reiseveranstalterin auch die Rückzahlung des Restbetrages von fast 9.000 Euro. Sie meint, zum Zeitpunkt der Stornierung der Reise habe aufgrund der in England grassierenden Coronavirus-Pandemie eine Situation vorgelegen, die sie nach § 651h Absatz 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum entschädigungslosen Reiserücktritt berechtigt habe.

Das Landgericht (LG) Detmold hat die Klage mit Urteil vom 01.02.2021 (01 O 153/20) mit der Begründung abgewiesen, dass die Stiftung gegenüber der Reiseveranstalterin nicht selbst eine Rückzahlung des ausstehenden Betrags verlangen könne. Denn Vertragspartner der Reiseveranstalterin sei nicht die Stiftung, sondern seien die angemeldeten Schüler gewesen, die von der Lehrerin beim Vertragsschluss vertreten worden seien.

Die Berufung der klagenden Stiftung hatte ganz überwiegend Erfolg. Entgegen der Auffassung des LG sei zwischen der Stiftung und der Reiseveranstalterin ein Pauschalreisevertrag über eine Gruppenreise nach Liverpool zustande gekommen, so das OLG. Unter anderem die Umstände der Vertragsabwicklung und der außergerichtlichen Korrespondenz sprächen dafür, dass die Buchung auch aus der Sicht der Reiseveranstalterin nicht im Namen der Schüler oder ihrer Erziehungsberechtigen, sondern im Namen der Schule beziehungsweise der hinter dieser stehenden hier klagenden Stiftung – als regelmäßig verlässlicher und solventer Vertragspartner – erfolgt sei.

Die Reiseveranstalterin müsse den vollen Reisepreis an die Stiftung zurückzahlen. Mit der COVID-19-Pandemie habe eine erhebliche Beeinträchtigung – im Sinne von § 651h Absatz 3 BGB – vorgelegen. Denn es habe ein konkretes Risiko für einen ernstlichen Gesundheitsschaden bestanden, weil in Liverpool als dem Zielort der Reise das Ansteckungsrisiko deutlich erhöht gewesen sei. Das Auswärtige Amt habe zwar erst am 17.03.2020 aufgrund der Coronavirus-Pandemie eine Reisewarnung für Reisen in das gesamte Ausland ausgesprochen. Entscheidend sei aber insbesondere, dass zum Zeitpunkt der Stornierung am 12.03.2020 – nur drei Tage vor Reisebeginn – bekannt gewesen sei, dass es sich bei dem Virus SARS-CoV-2 um einen neuartigen Krankheitserreger handele, der akute Atemwegserkrankungen hervorrufe, die im schlimmsten Fall tödlich verlaufen könnten, ohne dass es eine Therapiemöglichkeit oder einen Impfstoff gegeben habe.

Darüber hinaus bestehe bei Schülerreisen die Erwartung der erziehungsberechtigten Eltern, dass die Schüler in einem sicheren Umfeld reisen könnten. Dagegen sei die Pandemielage im Reiseland England akut gewesen und die Wahrscheinlichkeit, sich auf der Reise beziehungsweise am Reiseort mit dem Coronavirus zu infizieren, deutlich höher gewesen, als wenn die Schüler – bei bereits am 12.03.2020 konkret im Raum stehenden und am Folgetag beschlossenen Schulschließungen – zu Hause geblieben wären.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 30.08.2021, 22 U 33/21

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