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Kindergeld für volljähriges Kind: Nicht wegen coronabedingt verspäteten Beginns eines Freiwilligendienstes

28.07.2022

Ein volljähriges Kind, das einen Freiwilligendienst aufgrund der Corona-Pandemie erst fünf Monate nach dem Schulabschluss beginnen konnte, ist beim Kindergeld nicht zu berücksichtigen. Dies geht aus einem Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster hervor.

Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf Kindergeld für ihre Tochter T, geboren am 14.10.2001, für den Zeitraum von August bis Oktober 2020 hat. T beendete ihre Schulausbildung im Juli 2020. Von April bis Oktober 2020 war sie auf Projektsuche für ein freiwilliges soziales Jahr. Seit dem 20.11.2020 war sie bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsplatzsuchend geführt. Ab Januar 2021 absolvierte sie einen Freiwilligendienst. Zum 01.10.2021 nahm sie ein duales Studium zum Bachelor, Fachrichtung Marketingmanagement, auf.

Mit Bescheid vom 28.08.2020 lehnte die Beklagte die Kindergeldfestsetzung ab August 2020 ab. Die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für volljährige Kinder lägen nicht vor. T leiste keinen berücksichtigungsfähigen Freiwilligendienst ab. Dem hiergegen gerichteten Einspruch half die Beklagte dergestalt ab, dass sie für T ab dem Monat November 2020 Kindergeld festsetzte. Im Übrigen wies die Beklagte den Einspruch zurück. T habe ihre schulische Ausbildung im Juli 2020 beendet und erst im Januar 2021 die kindergeldrechtlich berücksichtigungsfähige Freiwilligenaktivität im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps aufgenommen. Zwischen den Ausbildungsabschnitten lägen demzufolge fünf Monte, sodass keine kindergeldrechtliche Berücksichtigung möglich sei. Das Bewerbungsverfahren für die Aufnahme der Freiwilligenaktivität führe nicht zu einer Berücksichtigungsfähigkeit des Kindes. Pandemiebedingte Sonder- beziehungsweise Ausnahmeregeln sehe das Einkommensteuergesetz (EStG) nicht vor.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, die Aufnahme des freiwilligen Dienstes sei ausschließlich pandemiebedingt nicht möglich gewesen. T habe sich bereits im April 2020 für ein Projekt beworben. Von Mai bis einschließlich Oktober 2020 habe sie sich auf Projektsuche befunden, was pandemiebedingt mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden gewesen sei. Im Oktober 2020 habe sie eine Zusage von einer Projektstelle in Irland erhalten.

Das FG Münster weist die Klage ab. Die Klägerin habe für den Streitzeitraum keinen Anspruch auf Kindergeld für T. T sei in diesem Zeitraum kein berücksichtigungsfähiges Kind gewesen. Eine Berücksichtigungsfähigkeit ergebe sich insbesondere nicht aus § 32 Absatz Satz 1 Nr. 2 b) EStG. T habe sich nicht in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befunden. T habe ihre Schulausbildung im Juli 2020 beendet und ihren Freiwilligendienst im Januar 2021 aufgenommen. Der Zeitraum zwischen diesen beiden Ausbildungsabschnitten betrage demnach fünf Monate.

§ 32 Absatz Satz 1 Nr. 2 b) EStG sei auch nicht analog anzuwenden. Es fehle an der hierfür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Der Annahme einer solchen stehe die im Gesetz eindeutig normierte Viermonatsfrist entgegen. Zwar führe die Beschränkung der Begünstigung auf Übergangszeiten von höchstens vier Monaten zu einer Regelungslücke für darüberhinausgehende, längere Übergangszeiten, da diese nicht unter den Wortlaut der Norm subsumierbar sind. Diese Regelungslücke sei aber nicht planwidrig. Der Gesetzgeber habe mit dieser stark typisierenden Vorschrift, gegen die keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, seinen anerkannten Spielraum für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen ausgenutzt. Dabei habe er sich bewusst für die Beschränkung der Begünstigung auf Übergangszeiten von höchstens vier Monaten entschieden.

Vor diesem Hintergrund überzeuge die Argumentation der Klägerin, die Coronapandemie habe zu einer planwidrigen Regelungslücke geführt, da der Gesetzgeber die damit einhergehenden erheblichen Einschränkungen bei der Suche nach Projekten für ein freiwilliges soziales Jahr nicht hätte berücksichtigen können, nicht. Die Klägerin verkenne dabei zudem, dass die Übergangszeit nicht primär dazu dient, ein Projekt beziehungsweise einen Ausbildungsplatz zu finden. Vielmehr solle sie grundsätzlich die Berücksichtigungsfähigkeit für die Zeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten herbeiführen.

T könne trotz ihrer Suche nach einem Projekt für ein freiwilliges soziales Jahr auch nicht nach § 32 Absatz 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG berücksichtigt werden. Nach dieser Norm wird ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, berücksichtigt, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Das FG stellt insofern klar, dass die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres grundsätzlich keine Berufsausbildung ist. Denn es diene in der Regel nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf, sondern der Erlangung sozialer Erfahrungen und der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl. Die vom Gesetzgeber in Betracht gezogene Ausnahme für den Fall, dass ein freiwilliger Dienst der Vorbereitung auf ein konkretes Berufsziel, zum Beispiel den Beruf des Sozialarbeiters, dient, greift vorliegend nicht. Es sei nicht ersichtlich, dass T einen sozialen Beruf anstrebt. Vielmehr habe sie zum 01.10.2021 ein duales Studium zum Bachelor, Fachrichtung Marketingmanagement, aufgenommen.

Finanzgericht Münster, Urteil vom 14.06.2022, 13 K 745/21 Kg

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