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Jura-Professor: Darf eigene Hochschule vor EuG und EuGH vertreten

04.08.2022

Ein Professor der Rechtswissenschaften darf seine eigene Hochschule vor dem Gericht und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuG und EuGH) vertreten. Dies gilt laut EuGH grundsätzlich auch dann, wenn er Koordinator und Teamleiter des streitgegenständlichen Projekts ist.

Die Universität Bremen ist Koordinatorin eines Forschungskonsortiums, das mehrere europäische Universitäten umfasst und rechtsvergleichende interdisziplinäre Forschung im Bereich des Wohnungsrechts und der Wohnungspolitik in der gesamten EU betreibt. Um eine Finanzierung der EU für diese Forschung zu erhalten, reichte die Universität bei der Europäischen Exekutivagentur für die Forschung einen Projektvorschlag ein. Gegen die Ablehnung dieses Vorschlags erhob die Universität Klage beim EuG, das die Klage als offensichtlich unzulässig abwies. Die Klageschrift sei nämlich von einem Hochschullehrer unterzeichnet worden, der an der Universität Bremen nicht nur lehre, sondern auch zum Koordinator und Teamleiter des vorgeschlagenen Projekts bestimmt sei. Daher sei die Voraussetzung der anwaltlichen Unabhängigkeit, die auch für Hochschullehrer gelte, die Einzelne vor den Unionsgerichten vertreten dürften, nicht erfüllt.

Auf das Rechtsmittel der Universität hin hebt der EuGH den Unzulässigkeitsbeschluss des EuG auf. Er weist darauf hin, dass sich der Begriff der anwaltlichen "Unabhängigkeit" im Bereich der Vertretung vor den Unionsgerichten in jüngerer Zeit weiterentwickelt habe und das insoweit vorherrschende Kriterium nunmehr darin bestehe, die Interessen des Mandanten zu schützen und zu verteidigen. Entsprechend dem Ziel dieser Vertretungsaufgabe müssten Hochschullehrer dieselben Unabhängigkeitskriterien erfüllen wie Anwälte, so der Gerichtshof. Diese Kriterien seien sowohl negativ zu definieren, das heißt durch das Fehlen eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten, als auch positiv, das heißt unter Bezugnahme auf die berufsständischen Pflichten. Dies bedeute unter anderem, dass es keine Verbindung geben dürfe, die den Anwalt offensichtlich darin beeinträchtigt, seinen Mandanten unter Beachtung des Gesetzes sowie der Berufsregeln durch den bestmöglichen Schutz seiner Interessen zu verteidigen.

Hierzu stellt der EuGH fest, dass eine vertragliche Verbindung oder ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zwischen einem Hochschullehrer und der von ihm vertretenen Universität unzureichend ist, um anzunehmen, dass sich der Hochschullehrer in einer Situation befindet, in der er die Interessen dieser Universität nicht verteidigen kann. Anders als ein Syndikusanwalt sei der betreffende Hochschullehrer nämlich mit der Universität, die er vertritt, durch ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis verbunden. Durch diese Rechtsstellung sei er – entsprechend den Voraussetzungen und den Vorschriften des nationalen Rechts – nicht nur als Lehrkraft und Forschender, sondern auch als Vertreter von Einzelnen vor den Unionsgerichten unabhängig. Da außerdem die Vertretung vor Gericht nicht zu den Aufgaben gehört, die dieser Hochschullehrer an der Universität als Lehrkraft oder Forschender wahrnimmt, hänge diese Vertretung in keiner Weise mit seiner universitären Tätigkeit zusammen und ist daher nicht weisungsgebunden, auch wenn es sich bei der vertretenen Partei um die betreffende Universität handeln sollte.

Durch die von dem betreffenden Hochschullehrer im Rahmen des streitgegenständlichen Projekts wahrgenommenen Aufgaben hätten dieser und die Universität Bremen zwar, wie der EuGH feststellt, gemeinsame Interessen. Diese führten jedoch nicht dazu, dass der Hochschullehrer die ihm übertragene Vertretung nicht ordnungsgemäß wahrnehmen könnte. Da im Übrigen kein Gesichtspunkt vorgebracht wurde, aus dem zu schließen wäre, dass diese Interessen der Prozessvertretung der Universität Bremen durch den Hochschullehrer entgegengestanden hätten, habe das EuG die Klage zu Unrecht aus dem Grund für unzulässig erklärt, dass die Universität nicht ordnungsgemäß vertreten sei. Damit verweist der EuGH die Sache zur Entscheidung über die von der Universität Bremen erhobene Klage an das EuG zurück.

Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 14.07.2022, C-110/21 P

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