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Indexierung der Familienbeihilfe in Österreich: Verstößt gegen EU-Recht

21.01.2022

Die Indexierung der Familienbeihilfe und steuerlicher Vergünstigungen, die Österreich Arbeitnehmern gewährt, deren Kinder sich ständig in einem anderen EU-Mitgliedstaat aufhalten, verstößt gegen Unionsrecht. Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, müssten in Österreich unabhängig vom Aufenthaltsort ihrer Kinder die gleichen Beihilfen und steuerlichen Vergünstigungen wie österreichische Arbeitnehmer erhalten können, da sie in gleicher Weise zur Finanzierung des österreichischen Sozial- und Steuersystems beitrügen wie österreichische Arbeitnehmer, meint Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Richard de la Tour.

Hintergrund: Seit 2019 passt Österreich für Arbeitnehmer, deren Kinder sich ständig in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten, den Pauschalbetrag der Familienbeihilfe sowie der verschiedenen steuerlichen Vergünstigungen nach oben oder unten entsprechend dem allgemeinen Preisniveau des betreffenden Mitgliedstaats an. Da diese Anpassung und die unterschiedliche Behandlung, die sich daraus in erster Linie für Wanderarbeitnehmer im Vergleich zu österreichischen Staatsangehörigen ergibt, nach Ansicht der Kommission gegen Unionsrecht verstoßen, erhob diese beim EuGH eine Vertragsverletzungsklage gegen Österreich.

In seinen Schlussanträgen schlägt Generalanwalt dem EuGH vor, der Klage der Kommission stattzugeben und festzustellen, dass die Anpassung der Familienbeihilfe, des Kinderabsetzbetrags, des Familienbonus Plus, des Alleinverdienerabsetzbetrags, des Alleinerzieherabsetzbetrags und des Unterhaltsabsetzbetrags für Wanderarbeitnehmer, deren Kinder ständig in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, gegen Unionsrecht verstößt.

Das Unionsrecht sehe nämlich ausdrücklich vor, dass Familienleistungen wie die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag nicht aufgrund der Tatsache gekürzt oder geändert werden dürfen, dass die Familienangehörigen des Berechtigten in einem anderen Mitgliedstaat wohnen. Die Festsetzung der Höhe dieser Leistungen nach dem Wohnsitz der Familienangehörigen stelle eine Verletzung des Freizügigkeitsrechts dar, das den Unionsbürgern verliehen wird.

Nach Ansicht des Generalanwalts ist es daher nicht zulässig, dass ein Mitgliedstaat in seine Regelung eine Ausnahme vom Grundsatz der strikten Gleichwertigkeit der Höhe der Familienleistungen einführt, indem er davon ausgeht, dass dieses Erfordernis in Übereinstimmung mit dem vom nationalen Gesetzgeber verfolgten Ziel, nämlich dem Ausgleich von Familienlasten, nur wertmäßig erfüllt werden kann. In diesem Zusammenhang weist de la Tour darauf hin, dass das auf Unionsebene geschaffene System in Hinblick auf die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit auf dem allgemeinen Gedanken beruht, dass ein Wanderarbeitnehmer, wenn er in einem Mitgliedstaat Sozialabgaben und Steuern entrichtet, die gleichen Leistungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats erhalten können muss.

De la Tour führt außerdem aus, dass die fraglichen Beträge im gesamten österreichischen Staatsgebiet ohne Berücksichtigung der Schwankungen im Zusammenhang mit dem Preisniveau in Österreich einheitlich sind und die tatsächlichen Ausgaben für konkrete Bedürfnisse des Kindes nicht berücksichtigt werden. Zudem stellt der Generalanwalt in Bezug auf alle in Rede stehenden Vergünstigungen und Beihilfen fest, dass die in der österreichischen Regelung vorgenommene Unterscheidung nach dem Wohnort der Kinder die Wanderarbeitnehmer stärker betrifft und eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstellt, die nur zulässig ist, wenn sie objektiv gerechtfertigt ist.

Österreich habe aber keinen Grund angeführt, der diese mittelbare Diskriminierung rechtfertigen könnte, sodass diese mit dem Unionsrecht unvereinbar sei. Der Generalanwalt führt insbesondere aus, dass in einem Bericht des österreichischen Rechnungshofs angegeben wird, dass der Grund, der das finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit gefährden könnte, nicht in der ungefähr sechs Prozent der Ausgaben für Familienleistungen betragenden Gewährung von Leistungen an Arbeitnehmer, deren Kinder außerhalb Österreichs wohnen, liegt, sondern im Fehlen einer angemessenen Kontrolle in Bezug auf die Gewährung dieser Leistungen.

Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof, Schlussanträge vom 20.01.2022, C-328/20

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