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Impfbescheinigungen gefälscht: Nicht jeder Irrtum schützt vor Strafe

14.05.2024

Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hat sich zu den Voraussetzungen eines Freispruchs wegen eines Irrtums über die Strafbarkeit des Fälschens von Impfbescheinigungen geäußert und dabei klargestellt, dass nicht jeder Irrtum vor Strafe schützt.

Die Frage, ob das Eintragen einer angeblichen Coronaimpfung in Impfpässen strafbar ist, sei in der Rechtsprechung und Wissenschaft zeitweise aufgrund unterschiedlicher Auffassungen zur Gesetzessystematik umstritten gewesen. Dies sei aber im weiteren Verlauf zum einen durch den Gesetzgeber gelöst worden, der mit Neufassung des § 279 des Strafgesetzbuches (StGB) am 24.11.2021 den Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse und damit auch von Impfausweisen ausdrücklich unter Strafe gestellt habe, so das OLG. Zum anderen habe der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 10.11.2022 entschieden, dass das Fälschen von Impfbescheinigungen auch zuvor nach alter Rechtslage eine Urkundenfälschung nach § 267 StGB darstellte.

Damit stehe zwar fest, dass die Strafbarkeit für derartige Handlungen durchgehend gegeben war. Fraglich bleibe aber, so das OLG, welche Auswirkungen die zunächst geführte Diskussion über die Rechtslage für diejenigen habe, die vor der Gesetzesänderung und der Entscheidung des BGH eine solche Handlung ausgeführt haben. Können sie sich darauf berufen, dass sie davon ausgegangen seien, ihr Handeln sei nicht strafbewehrt?

Das Amtsgericht (AG) Braunschweig sei hiervon ausgegangen und habe den Angeklagten im dortigen Verfahren freigesprochen: Der Angeklagte habe Ende Oktober 2021 bei einer Apotheke einen auf seinen Namen ausgestellten Impfpass vorgelegt, der zwei angebliche Covid-19-Impfungen ausgewiesen habe. Ihm sei dabei bewusst gewesen, dass die Einträge falsch gewesen seien. Er habe zwar moralische Bedenken gehabt, sei aber davon ausgegangen, dass sein Verhalten nicht strafbar sei. Im Internet habe er nämlich von den ersten Entscheidungen zur Straflosigkeit gelesen und vom Gesetzgebungsverfahren zur Einführung des § 279 StGB gehört.

Das AG ging laut OLG nach der Einlassung des Angeklagten davon aus, dass er einem unvermeidbaren Verbotsirrtum gemäß § 17 StGB unterlegen war. Danach habe er zwar wissentlich den Straftatbestand der Urkundenfälschung erfüllt. Er habe aber nicht schuldhaft gehandelt, da er über die Straflosigkeit seines Handelns irrte, ohne dass ihm dies vorzuwerfen sei. Zum Tatzeitpunkt sei die Rechtslage unklar gewesen, weshalb es auch "höchst zweifelhaft" sei, welche Rechtsauskunft er auf weitere Nachfrage bei einer rechtskundigen Person erhalten hätte.

Das OLG sieht dies anders. Es hat deswegen das Urteil des AG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Die Beweiswürdigung des AG, die zu der Annahme eines Verbotsirrtums geführt habe, sei lückenhaft. Auf die pauschale Einlassung des Angeklagten, er habe sich auf seine Internetrecherche verlassen, könne die Entscheidung, der Angeklagte sei von der fehlenden Strafbarkeit seiner Handlung ausgegangen, nicht gestützt werden. Im Urteil des AG fehlten Angaben dazu, welche Urteile oder anderweitige Quellen der Angeklagte für seine Überzeugung herangezogen habe.

Insoweit ist laut OLG auch zu berücksichtigen, dass sowohl der Gesetzentwurf, der zu der Neufassung des § 279 StGB geführt habe, als auch die Veröffentlichungen obergerichtlicher Entscheidungen, die ihn in seiner Rechtsansicht hätten bestätigen können, erst nach dem Tatzeitpunkt veröffentlicht worden seien. Es wäre dem Angeklagten zuzumuten gewesen, zunächst abzuwarten, wie die Rechtslage höchstrichterlich entschieden wird.

Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 07.03.2024, 1 ORs 49/23

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