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Hochrisikospiele: DFL muss Polizeikosten tragen
Die Freie Hansestadt Bremen darf für den polizeilichen Mehraufwand bei so genannten Hochrisikospielen der Fußball-Bundesliga eine Gebühr erheben. Dies ist mit dem Grundgesetz vereinbar, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschied. Die Verfassungsbeschwerde der DFL Deutsche Fußball Liga GmbH blieb daher erfolglos.
Nach dem im November 2014 in Kraft getretenen § 4 Absatz 4 des Bremischen Gebühren- und Beitragsgesetzes (BremGebBeitrG) wird bei Veranstaltern für den polizeilichen Mehraufwand bei gewinnorientierten, erfahrungsgemäß gewaltgeneigten Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen eine Gebühr erhoben, die nach dem Mehraufwand zu berechnen ist, der aufgrund der Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte entsteht.
Das BVerfG entschied, dass diese Regelung zwar in die durch das Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit der Veranstalter eingreife. Der Eingriff sei aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da die Norm formell und materiell verfassungsgemäß sei. Sie sei insbesondere verhältnismäßig und mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar.
Im Hinblick auf das für den 19.04.2015 angesetzte Spiel der Fußball-Bundesliga zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV im Bremer Weserstadion unterrichtete die Polizei Bremen die DFL unter Verweis auf § 4 Absatz 4 BremGebBeitrG über ihre voraussichtliche Gebührenpflicht als Veranstalterin. Nach den damaligen Erkenntnissen und Informationen sei am Spieltag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Fans der Vereine zu rechnen, wenn dem nicht durch den Einsatz von starken Polizeikräften und durch entsprechende Einsatzmaßnahmen effektiv begegnet werde. Am Spieltag verlief der Gesamteinsatz, bei dem die Bremer Polizei von Einsatzkräften aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Hessen und der Bundespolizei unterstützt wurde, insgesamt reibungslos. Die Polizei Bremen erließ gegenüber der DFL einen Bescheid über die Erhebung von Gebühren in Höhe eines mittleren sechsstelligen Eurobetrags für den erforderlichen Einsatz zusätzlicher Polizeikräfte.
Nachdem die DFL vor den Verwaltungsgerichten nichts gegen den Gebührenbescheid hatte ausrichten können, rief sie das BVerfG an. Auch hier blieb sie erfolglos.
§ 4 Absatz 4 BremGebBeitrG ziele darauf ab, die durch die Durchführung der näher beschriebenen Veranstaltungen entstandenen Mehrkosten der Polizei auf die Veranstalter abzuwälzen, führt das BVerfG aus. Dabei sollen die Kosten an die Stelle verlagert werden, an der die Gewinne anfallen. Sie sollen nicht durch die Gesamtheit der Steuerzahler, sondern jedenfalls auch durch die (un)mittelbaren wirtschaftlichen Nutznießer der Polizeieinsätze geschultert werden. Das hält das BVerfG für ein legitimes Ziel.
Der Legitimität dieses Ziels stehe kein verfassungsrechtlich verbürgtes generelles Gebührenerhebungsverbot im Polizeirecht entgegen. Die Verfassung kenne keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss. Die Gefahrenvorsorge sei keine allgemeine staatliche Tätigkeit, die zwingend ausschließlich aus dem Steueraufkommen zu finanzieren sei.
Die Gebührenpflicht sei auch geeignet und erforderlich, um das Ziel zu erreichen. Die Gebühr werde als Gegenleistung für eine individuell zurechenbare Leistung erhoben. Es bestehe ein hinreichendes Näheverhältnis der Gebührenpflichtigen zur öffentlichen Leistung, also dem Mehraufwand des Polizeieinsatzes. Die Zurechenbarkeit rechtfertige sich dabei aus einer Gesamtschau mehrerer Gesichtspunkte, die überwiegend dem Veranlasserprinzip zuzuordnen seien.
Indem sie eine Veranstaltung durchführen, bei der erfahrungsgemäß Gewalthandlungen in erheblichem Maße zu erwarten sind, veranlassten die Veranstalter eine deutlich gesteigerte staatliche Sicherheitsvorsorge, nähmen damit begrenzte öffentliche Ressourcen in deutlich übermäßigem Umfang in Anspruch und begründen so ein Näheverhältnis zu der erbrachten staatlichen Leistung, die ohne die Hochrisikoveranstaltung nicht notwendig wäre.
Die von § 4 Absatz 4 BremGebBeitrG erfassten staatlichen Maßnahmen besäßen deshalb einen spezifischen Bezug zu den in der Vorschrift genannten Veranstaltungen, weil sie gerade deren Durchführung ermöglichen. Die Veranstalter seien objektiv, ohne es beantragt oder ausdrücklich erwünscht zu haben, Nutznießer der Bereitstellung von Polizeikräften. Die hierdurch ermöglichte Risikominimierung komme ihnen zugute, weil sie ohne diese ihre Veranstaltung nicht oder zumindest nicht in der gewählten Form ausrichten könnten.
Die individuelle Zurechnung setze nicht die polizeiliche Verantwortlichkeit der Veranstalter voraus. Die durch eine gefahrträchtige Großveranstaltung veranlasste erhöhte Sicherheitsvorsorge bleibe den Veranstaltern zurechenbar, auch wenn die Realisierung der Gefahr von einem – gegebenenfalls rechtswidrigen – Verhalten Dritter abhängt. Ein vorsätzliches Dazwischentreten Dritter führt aus Sicht des BVerfG jedenfalls dann nicht zwingend zu einer Unterbrechung der Zurechnung des Mehraufwandes, wenn die Veranstaltung in Kenntnis ihrer Gefahrträchtigkeit durchgeführt wird.
Die Bremer Veranstaltungsgebühr beeinträchtige die Berufsfreiheit der Veranstalter auch in einer Gesamtschau nicht unangemessen. Insbesondere sei eine unangemessene Belastung oder eine erdrosselnde Wirkung durch § 4 Absatz 4 BremGebBeitrG nicht erkennbar. Bezogen auf die finanzielle Belastungswirkung sei auch zu berücksichtigen, dass die Vorschrift nur einen kleinen Teil kommerzieller Veranstaltungen betrifft.
Die Vorschrift sei auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar. Zwar treffe die Gebührenpflicht nach § 4 Absatz 4 BremGebBeitrG nicht jeden Veranstalter. Soweit zwischen gewinnorientierten, einen monetären Vorteil ziehenden Veranstaltungen und nicht gewinnorientierten Veranstaltungen differenziert werde, sei der Unterschied im aus der Veranstaltung erwachsenden Vorteil so groß, dass er die Nichteinbeziehung der nicht gewinnorientierten Veranstaltungen rechtfertigt.
Die Beschränkung auf Veranstaltungen mit voraussichtlich mehr als 5.000 zeitgleich teilnehmenden Personen verfolge das Ziel, nur diejenigen Veranstaltungen zu erfassen, die einen deutlichen polizeilichen Mehraufwand hervorrufen. Das Merkmal verfolge daher partiell das gleiche Ziel wie das der besonderen Gefahrträchtigkeit. Es solle nur die Veranstaltung, die eine administrativ und finanziell erhebliche Sondernutzung der Gefahrenvorsorge bewirkt, erfasst werden. Darüber hinaus unterstütze die Konzentration auf die Größe der Veranstaltung auch das gleiche Ziel wie das Kriterium der Gewinnorientierung. Es sei anzunehmen, so das BVerfG, dass eine Veranstaltung umso gewinnbringender ist, je größer sie ist. Die Differenzierung solle gerade das Ziel des Eingriffs ermöglichen und stehe nicht außer Verhältnis zur bewirkten Belastung.
Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 14.01.2025, 1 BvR 548/22