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Heimentgelt: Keine Kürzung wegen coronabedingter Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen

02.06.2022

Bewohner einer stationären Pflegeeinrichtung sind wegen Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen, die im Rahmen der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie hoheitlich angeordnet wurden, zu keiner Kürzung des Heimentgelts berechtigt. Dies stellt der Bundesgerichtshof (BGH) klar.

Die Parteien streiten über rückständige Heimkosten sowie die Räumung und Herausgabe eines Zimmers in einem Seniorenwohnheim. Die Parteien schlossen 2017 einen Vertrag über die Unterbringung und vollstationäre Pflege der Beklagten in dem vom Kläger betriebenen Wohn- und Pflegeheim. Seit dem 19.03.2020 hielt die Beklagte sich nicht mehr dort auf, da ihr Sohn sie im Hinblick auf die Corona-Pandemie zu sich nach Hause geholt hatte. Das ihr in dem Pflegeheim zugewiesene Zimmer räumte sie allerdings nicht. Für die Monate Mai bis August 2020 erbrachte sie auf das sich inzwischen auf 3.294,49 Euro belaufende beziehungsweise im August 2020 auf 3.344,07 Euro angestiegene Monatsentgelt lediglich Zahlungen von insgesamt 1.162,18 Euro. Nachdem die Klägerin die Beklagte vergeblich unter Fristsetzung zur Zahlung aufgefordert hatte, erklärte sie am 20.07.2020 die Kündigung des Pflegevertrags aus wichtigem Grund zum 31.08.2020.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Räumung und Herausgabe des von ihr weiterhin belegten Zimmers sowie – unter Anrechnung der vertraglich vereinbarten Pauschale von 25 Prozent für ersparte Aufwendungen ab dem vierten Abwesenheitstag – zur Zahlung von 8.877,13 Euro nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Die Beklagte beabsichtigt, gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts "das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde" einzulegen, und begehrt dafür gemäß § 78b Absatz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) die Bestellung eines Notanwalts, da auf ihre Anfrage keiner der beim BGH zugelassenen Rechtsanwälte zu einer Vertretung bereit gewesen sei.

Der BGH hat den Antrag der Beklagten, ihr einen Notanwalt beizuordnen, abgelehnt. Die Beiordnung eines Notanwalts für die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde scheidet aus, weil ein Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 543 Absatz 2 ZPO offensichtlich nicht vorliegt. Die Zulassung der Revision sei insbesondere nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache geboten. Der von der Beklagten geltend gemachte Entgeltkürzungsanspruch bestehe unzweifelhaft nicht.

Nach § 7 Absatz 2 des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes (WBVG) in Verbindung mit Nr. 2.1 des Pflegevertrages sei die Klägerin verpflichtet gewesen, der Beklagten ein bestimmtes Zimmer als Wohnraum zu überlassen sowie die vertraglich vereinbarten Pflege- und Betreuungsleistungen nach dem allgemein anerkannten Stand fachlicher Erkenntnisse zu erbringen. Diese den Schwerpunkt des Pflegevertrags bildenden Kernleistungen hätten trotz pandemiebedingt hoheitlich angeordneter Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen weiterhin in vollem Umfang erbracht werden können. Eine Entgeltkürzung gemäß § 10 Absatz 1 WBVG wegen Nicht- oder Schlechtleistung scheide daher von vornherein aus, so der BGH.

Es komme aber auch keine Herabsetzung des Heimentgelts wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch in Betracht. Durch die Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen habe sich die Geschäftsgrundlage für den zwischen den Parteien bestehenden Pflegevertrag nicht schwerwiegend geändert. Die Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen dienten primär dem Gesundheitsschutz sowohl der (besonders vulnerablen) Heimbewohner als auch der Heimmitarbeiter, ohne den Vertragszweck in Frage zu stellen. Ein Festhalten am unveränderten Vertrag sei der Beklagten daher zumutbar gewesen, zumal die zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie angeordneten Einschränkungen sozialer Kontakte ("Lockdown") das gesamte gesellschaftlichen Zusammenleben, also auch Nichtheimbewohner, erfasst hätten.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.04.2022, III ZR 240/21

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