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Gerichtlich geregelter Umgang: Corona-Pandemie rechtfertigt keine Abweichung
Ein familiengerichtlich geregelter Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil darf ohne rechtfertigende Änderungsentscheidung des Familiengerichts nicht unter Hinweis auf die Kontaktbeschränkungen wegen der Verbreitung des Corona-Virus verweigert werden. Gegen einen Elternteil, der den Umgang gleichwohl nicht gewährt, kann ein Ordnungsgeld verhängt werden. Dies entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.
Der Umgang des gemeinsam mit der Mutter sorgeberechtigten Vaters mit dem zehnjährigen Kind der Eltern war im August 2018 vom Familiengericht geregelt worden. Demnach bestand zugunsten des Vaters ein regelmäßiger Wochenendumgang sowie ein Ferienumgang mit dem bei der Mutter wohnenden Kind. Bei schuldhaften Zuwiderhandlungen gegen diese Regelung sollte ein Ordnungsgeld bis zu 25.000 Euro angeordnet werden können.
Im März 2020 kam es zum Konflikt zwischen den Eltern hinsichtlich des Umgangs. Ende März teilte die Mutter dem Vater mit, dass sie den direkten Umgang zwischen dem Vater und dem Kind aussetze, da im Haushalt Corona-Risikogruppen lebten. Der Vater könne mit dem Kind telefonieren und es auf dem Balkon sehen. Mit im Haus, jedoch nicht in derselben Wohnung, wohnen die Großeltern des Kindes.
Auf Antrag des Vaters setzte das zuständige Familiengericht Ende Mai 2020 wegen Zuwiderhandlung gegen die gerichtlich festgelegte Umgangsregelung ein Ordnungsgeld von 300 Euro gegen die Mutter fest.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Mutter hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Da die Mutter dem Vater ab Mitte März 2020 bis jedenfalls Ende Mai 2020 keinen persönlichen Kontakt mit ihrem gemeinsamen Kind gewährt habe, liege eine Zuwiderhandlung gegen die gerichtliche Umgangsregelung vor. Die Mutter habe diese Zuwiderhandlung auch zu vertreten. Ohne Erfolg berufe sie sich darauf, dass der gerichtlich geregelte Umgang "wegen der Kontaktbeschränkungen und der Gefahr der Verbreitung des Corona-Virus nicht habe stattfinden können", da sie selbst zu einer Risikogruppe gehöre und das Kind mit seinen Großeltern in einem Mehrgenerationenhaus wohne. Der umgangsverpflichtete Elternteil (hier die Mutter) sei ohne Einverständnis des umgangsberechtigten Elternteils (hier der Vater) grundsätzlich nicht befugt, entgegen einer familiengerichtlichen Regelung über die Ausgestaltung und das Stattfinden des Umgangsrechts zu disponieren. Allein der Umstand, dass sich die Mutter irrtümlich hierzu berechtigt gefühlt habe, lasse ihr Verschulden nicht entfallen.
Grundsätzlich hätten zudem die Kontaktbeschränkungen wegen der Verbreitung des Corona-Virus zu keinem Zeitpunkt dazu geführt, dass Umgangskontakte von Elternteilen mit ihren Kindern nicht mehr stattfinden können beziehungsweise konnten. Das Bundesjustizministerium habe vielmehr darauf hingewiesen, dass das Umgangsrecht aufgrund der Corona-Pandemie nicht auszuschließen sei. Die Empfehlung, soziale Kontakte möglichst zu vermeiden, beziehe sich nicht auf die Kernfamilie. Hierzu gehörten auch Eltern in verschiedenen Haushalten. "Der Umgang zwischen dem nicht betreuenden Elternteil und dem Kind gehört zum absolut notwendigen Minimum zwischenmenschlicher Kontakte und unterfällt damit einem Ausnahmetatbestand", stellt das OLG heraus.
Ohne Erfolg verweise die Mutter zudem auf eine freiwillige Quarantäne im Hinblick auf ihre eigene Vorerkrankung und das Alter der im Haus lebenden Großeltern. Die Entscheidung, das Kind ebenfalls einer freiwilligen Quarantäne zu unterstellen, hätte von den Eltern gemeinsam im Rahmen ihrer Sorgerechtsbefugnis getroffen werden müssen. Daran fehle es hier. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 08.07.2020, 1 WF 102/20, unanfechtbar