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Geplante Steuerbefreiung von Überstundenzuschlägen: Bringt laut Studie kaum Entlastung
Nach den Plänen der schwarz-roten Koalition sollenÜberstundenzuschläge künftig unter bestimmten Bedingungen steuerfrei bleiben. DieHans-Böckler-Stiftung hat untersucht, wie viele Menschen davon profitierenwürden und wie hoch die Steuerersparnis ausfällt. Das Ergebnis: Nach der Studiedes Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Stiftung werdennur 1,4 Prozent aller Beschäftigten künftig von einem Steuerbonus profitieren,der Rest geht leer aus.
Im Durchschnitt aller Beschäftigten in Deutschland bliebennur 0,87 Euro pro Monat steuerfrei, die mittlere Steuerersparnis falle mitmonatlich 0,31 Euro noch einmal dürftiger aus. Gleichzeitig entfalle dieEntlastung ganz überwiegend auf Beschäftigte aus der oberen Hälfte derEntgeltverteilung.
Die Berechnungen des WSI beruhen nach Angaben der Hans-Böckler-Stiftungauf der Verdiensterhebung des Statistischen Bundesamtes vom April 2024, diedetaillierte Gehaltsdaten von rund 9,6 Millionen Beschäftigten enthalte.
"In den Betrieben haben sich Arbeitszeitkontendurchgesetzt und Mehrarbeit kann später durch Freizeit ausgeglichen werden",so Studienautor Malte Lübker. Nach den Ergebnissen der Arbeitszeitrechnung desInstituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verfalle zudem dieMehrheit der Überstunden im engeren Sinne. "Bezahlte Überstunden sindinzwischen eher ein Randphänomen", so Lübker. Laut Verdiensterhebung hättenim April 2024 nur 5,1 Prozent der Beschäftigten Überstunden ausbezahlt bekommen,darunter seien 1,8 Prozent mit einem Überstundenzuschlag gewesen.
Nach den Koalitionsplänen sollen Überstunden jedoch nurberücksichtigt werden, wenn diese über die normale Vollzeit hinausgehen, sodasssich mit 1,4 Prozent ein noch kleinerer Kreis von Begünstigten abzeichne.Beschäftigte in Teilzeit erreichten die Vollzeitschwelle auch inklusiveÜberstunden nur in Ausnahmefällen, sodass von ihnen nur 0,2 Prozent einenSteuervorteil erwarten könnten. Geringfügig Beschäftigte gehen laut Studie leeraus. Deutlich häufiger profitierten Vollzeitbeschäftigte (2,4 Prozent). Für Beschäftigtemit Tarifvertrag (1,7 Prozent) seien die Aussichten auf einen Steuerbonus etwasbesser, als wenn der Tarifvertrag fehlt (1,1 Prozent).
Da Frauen in Deutschland häufiger in Teilzeit arbeiten alsMänner, würden unter ihnen nur 0,5 Prozent von der Steuerbefreiung profitieren.Bei Männern ergebe sich ein höherer Anteil von 2,2 Prozent. DeutlicheUnterschiede zwischen den Geschlechtern zeigten sich der Studie zufolge auchbei der Höhe der freigestellten Beträge: Während Männer künftig pro Monatdurchschnittlich 1,46 Euro steuerfrei mit nach Hause nehmen würden, seien esbei Frauen nur 0,23 Euro pro Monat. Dies liegt der Studie zufolge nur zum Teildaran, dass Frauen aufgrund der ungleichen Verteilung der Sorgearbeit wenigerÜberstunden machen als Männer. Entscheidend sei vielmehr, dass bei Frauenaufgrund des Vollzeit-Erfordernisses nur rund die Hälfte (54 Prozent) derÜberstunden mit Zuschlag unter das neue Steuerprivileg fallen würde. BeiMännern seien es neun von zehn Überstunden mit Zuschlag (88 Prozent). Lübkersieht darin einen Beleg für die mittelbare Diskriminierung von Frauen.
Auch wenn die individuelle Entlastung insgesamt sehr klein sei,habe das Koalitionsvorhaben zudem problematische Auswirkungen auf dieEinkommensverteilung. Rund 95 Prozent des Entlastungsvolumens kämeBeschäftigten aus der oberen Hälfte der Entgeltverteilung zugute, während aufdie untere Hälfte nur fünf Prozent der Gesamtsumme entfallen. Für Arbeitnehmer miteinem Bruttomonatsverdienst von bis zu 3.041 Euro betrage die durchschnittlicheSteuerersparnis gerade einmal drei Cent pro Monat, für das Zehntel mit denhöchsten Gehältern hingegen 1,18 Euro. "Die neue Studie zeigt, wie sozialunausgewogen das Vorhaben ist", sagt Bettina Kohlrausch, WissenschaftlicheDirektorin des WSI. "Statt eine breite Entlastung zu bewirken, würde vondem Steuerprivileg in erster Linie eine kleine Gruppe von Beschäftigtenprofitieren, die auch so ein auskömmliches Gehalt haben. Das trägt weiter zurUngleichheit in der Gesellschaft bei und setzt ein falsches Signal."
Das Vorhaben, das auf das Wahlprogramm der CDU/CSUzurückgeht, war laut Hans-Böckler-Stiftung zuletzt auch vom WissenschaftlichenBeirat beim Bundesfinanzministerium scharf kritisiert worden. Die Ökonomenhatten argumentiert, dass die neue Regelung das Steuerrecht noch komplexer macheund erhebliche Bürokratiekosten bei Arbeitgebern und in der Finanzverwaltungverursachen würde. Außerdem bezweifelten sie laut Stiftung, dass dieSteuerersparnis aufgrund ihrer geringen Höhe einen wirksamen Anreiz fürMehrarbeit setzt. Der Beirat sei dabei unter großzügigen Annahmen von einerSteuerersparnis von 3,50 Euro pro Überstunde ausgegangen. Die neue WSI-Analysezeige, dass der Steuerbonus in der Realität mit 1,35 Euro pro Überstundedeutlich geringer ausfallen dürfte. Für Beschäftigte mit einem Bruttoverdienstvon bis zu 3.041 Euro belaufe sich das durchschnittliche Plus beim Netto-Gehaltsogar nur auf 0,39 Euro pro steuerbegünstigter Überstunde mit Zuschlag. Als Grundnennt die Studie unter anderem, dass für Beschäftigte mit geringerem Einkommenauch der Steuersatz geringer ist und Überstundenzuschläge geringer ausfallenals bei Beschäftigten mit höherem Einkommen.
Handlungsbedarf besteht laut der neuen WSI-Studie in anderenBereichen. So verfalle derzeit nach der IAB-Arbeitszeitrechnung mehr als dieHälfte aller geleisteten Überstunden ohne Bezahlung und ohne Freizeitausgleich.Um dies zu verhindern, sollten laut Studie verbleibende Lücken in derArbeitszeiterfassung geschlossen werden. Zudem gebe es bei einigen Arbeitgebern– beispielsweise im Polizeidienst des Landes Nordrhein-Westfalen – diefragwürdige Praxis, auch bereits erfasste Überstunden unter bestimmten Bedingungenwieder aus den Arbeitszeitkonten zu löschen.
Trotzdem habe sich auf den Arbeitszeitkonten in Deutschlandinzwischen ein Berg von fast 500 Millionen bereits geleisteter Stunden im Wertvon rund 9,5 Milliarden Euro angesammelt. "Wenn Beschäftigte in Bereichenmit besonders hoher Arbeitsbelastung keine realistische Perspektive aufFreizeitausgleich haben, kann es sinnvoll sein, die Zeitguthaben auszuzahlen",so Lübker. "Ob ein etwaiger Überstundenzuschlag dabei steuerfrei bleibtoder nicht, ist für die Beschäftigten eher zweitrangig."
Hans Böckler Stiftung, PM vom 17.10.2025