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Feuerwehrunfall bei Schauübung in städtischer Schule: Keine Schmerzensgeldansprüche gegenüber Stadt

26.06.2020

Zwei Schülerinnen, die bei einer Schauübung der Feuerwehr im Rahmen des Schulunterrichts schwer verletzt worden waren, sind mit ihren Schmerzensgeldbegehren gegen die Stadt Bad Urach nun auch in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart gescheitert.
Ein Feuerwehrmann hatte bei einer Vorführung im Rahmen der alljährlichen Brandschutzerziehung der Freiwilligen Feuerwehr Bad Urach in einer dortigen Realschule in eine bereits erhitzte Bratpfanne Brennspiritus gespritzt, der eine Stichflamme verursachte. Die zum Teil sehr schwer an Gesicht und Oberkörper verletzten Klägerinnen erhalten Leistungen wie Kostenübernahmen und Rentenzusagen der Unfallkasse Baden-Württemberg, nachdem die gesetzliche Unfallversicherung den Unfall als Schulunfall anerkannt hatte. Mit ihren Klagen gegen die Stadt Bad Urach als Anstellungskörperschaft der Feuerwehrleute machen sie Schmerzensgeldansprüche geltend (im einen Fall in Höhe von 120.000, im anderen von 9.000 Euro).
Das Landgericht hat in beiden Verfahren die Klage gegen die Stadt abgewiesen. Zwar lägen die Voraussetzungen für einen Amtshaftungsanspruch vor, die Stadt könne sich jedoch erfolgreich auf einen Haftungsausschluss nach § 104 Absatz 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII berufen.
Dies hat das OLG Stuttgart bestätigt: Dem Anspruch der Klägerinnen gegen die Stadt als Trägerin der freiwilligen Feuerwehr stehe entgegen, dass die Feuerwehrleute den Schülerinnen wegen des gesetzlichen Haftungsausschlusses nach §§ 105 Absatz 1, 106 Absatz 1 Nr. 3 SGB VII nicht nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch hafteten, sodass auch keine Forderung gemäß Artikel 34 Grundgesetz auf die Stadt als Sachkostenträgerin der Realschule übergehen könne.
Der Haftungsausschluss folge zum einen daraus, dass das Gericht an die Entscheidung der gesetzlichen Unfallversicherung über ihre Zuständigkeit für die Schadenersatzansprüche gebunden sei (§ 108 Absazu 1 SGB VII) und zum anderen daraus, dass die Feuerwehrleute nach § 105 Absatz 1 SGB VII nur bei vorsätzlichem Handeln hafteten, so das OLG.
Die Bindungswirkung des Gerichts aus § 108 Absatz 1 SGB VII gelte insbesondere für die Feststellung, dass die Klägerinnen als gemäß § 2 Absatz 1 Nr. 8 b SGB VII versicherte Schülerinnen einen Arbeitsunfall in Form eines Schulunfalls erlitten hätten und die gesetzliche Unfallversicherung für diesen Versicherungsfall einzustehen habe. Somit sei eine Haftung der Stadt als Schulträgerin und insoweit Unternehmerin gemäß § 104 Absatz 1 SGB VII ausgeschlossen.
Eine Amtshaftung der Stadt als Trägerin der Freiwilligen Feuerwehr wegen der fahrlässigen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die bei der Schauübung tätigen Feuerwehrleute scheide ebenfalls aus, da deren Haftung aufgrund der Eingliederung in den Schulunterricht ihrerseits nach §§ 105 Absatz 1 ,106 Absatz 1 Nr.3 SGB VII ausgeschlossen sei. Unstreitig hätten die Feuerwehrleute die ihnen bei der Brandschutzübung obliegende Amtspflicht verletzt, eine Gesundheitsschädigung der Klägerinnen zu vermeiden, und dabei fahrlässig gehandelt. Der die Übung abhaltende Feuerwehrmann hätte sich darüber vergewissern müssen, dass die Pfanne, in die er Brennspiritus gespritzt hat, nicht noch vom gerade erst gelöschten Feuer heiß gewesen ist, und hätte auf einen ausreichenden Sicherheitsabstand der Kinder zur Gefahrenquelle achten müssen. Der Leiter der Übung hätte die Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen durch vorherige Planung und während der Übung durch geeignete Überwachungsmaßnahmen sicherstellen müssen.
Allerdings seien die Feuerwehrleute im Rahmen des Brandschutzunterrichtes in das "Unternehmen Schule" einbezogen, sodass die Ansprüche der Schülerinnen wegen der Vorgreiflichkeit der gesetzlichen Unfallversicherung entsprechend § 105 Absatz 1 SGB VII ausschieden. Zur Begründung des Unfallversicherungsschutzes reiche es nach der Rechtsprechung aus, wenn Schüler und Eltern im Zeitpunkt der Durchführung der Veranstaltung nach dem Gesamtbild der objektiven Umstände zu der Auffassung gelangen konnten, dass es sich um eine organisatorisch von der Schule beherrschte Veranstaltung handelt. Der Brandschutzunterricht sei hier als schulbezogen einzustufen. Er habe im Anschluss an die große Pause und im Klassenverbund unter Aufsicht des Lehrers stattgefunden und sei gerade keine vom Schulbesuch getrennte Veranstaltung der freiwilligen Feuerwehr gewesen. Dann müssten die Mitarbeiter eines anderen, vom Schulträger betriebenen Unternehmens, das heißt die Feuerwehrleute, wie "Betriebsangehörige" betrachten werden, für die das so genannte Haftungsprivileg gelte. Kommt es während des Unterrichts dann zur Verletzung eines Schülers aufgrund einer Amtspflichtverletzung durch einen gemeindlichen Mitarbeiter, so seien danach sowohl die Gemeinde als auch der Mitarbeiter haftungsprivilegiert und haften nur bei vorsätzlichem Handeln.
Sinn dieser gesetzlichen Haftungsfreistellung sei letztlich die "Sicherung des Betriebsfriedens", merkt das OLG an. Es wäre zu befürchten, dass die Durchführung künftiger Veranstaltungen in enger Zusammenarbeit zwischen Schule und Feuerwehr grundsätzlich in Frage gestellt wird, wenn trotz bestehender gesetzlicher Unfallversicherungspflicht im "Unternehmen Schule" zusätzlich eine Haftung des "Unternehmens Feuerwehr" bejaht würde.
Die Revision wurde jeweils nicht zugelassen. Im Verfahren 4 U 33/20 kann laut OLG eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteile vom 24.06.2020, 4 U 33/20 und 4 U 42/20

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