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Fahrt mit E-Scooter durch Festhalten betrunkenen Sozius an der Lenkstange: Führt zu (vorläufigem) Entzug der Fahrerlaubnis

21.11.2022

Dem Sozius eines E-Scooters darf die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden, wenn er sich im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit mit 1,2 Promille an der Lenkstange des E-Scooters festhielt. Denn der Sozius habe auch hierdurch das Fahrzeug mitgeführt, begründet das Landgericht (LG) Oldenburg seine Entscheidung.

Nach Aktenlage befuhr der Beschuldigte als Sozius auf einem E-Scooter einen Radweg in unzulässiger Richtung, wobei er sich – trotz seiner auf dem Roller hinteren Position – am Lenker festhielt. Die Fahrt wurde durch eine Polizeistreife beendet. Eine Blutentnahme um 4.40 Uhr ergab für den Beschuldigten eine Blutalkoholkonzentration von 1,2 Promille.

Das Amtsgericht Oldenburg hat dem Beschuldigten daraufhin im Ermittlungsverfahren die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beschuldigten hatte keinen Erfolg.

Das LG hat in seiner Entscheidung festgestellt, dass der Sachverhalt den Straftatbestand des § 316 Strafgesetzbuch (StGB – Trunkenheit im Verkehr) erfüllt.

E-Scooter seien – wie die Klarstellung in § 1 Absatz 1 der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung belege – grundsätzlich Kraftfahrzeuge und unterschieden sich insoweit von Fahrrädern, stellt das LG zunächst klar. Der Beschuldigte habe den E-Scooter zur Tatzeit auch "geführt" im Sinne des § 316 StGB.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) sei Führer eines Fahrzeugs derjenige, der selbst alle oder wenigstens einen Teil der wesentlichen technischen Einrichtungen des Fahrzeuges bedient, die für seine Fortbewegung bestimmt sind, also das Fahrzeug unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder es unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt.

Danach, so das LG, sei Führer eines Fahrzeuges nicht nur derjenige, der alle für die Fortbewegung des Fahrzeugs erforderlichen technischen Funktionen ausübt, sondern auch, wer nur einzelne dieser Tätigkeiten vornimmt – jedenfalls solange es sich dabei um solche handelt, ohne die eine zielgerichtete Fortbewegung des Fahrzeugs im Verkehr unmöglich wäre (wie zum Beispiel das Bremsen oder Lenken).

Dies sei aus Sicht des LG auch vorliegend der Fall gewesen. Der Beschuldigte habe eingeräumt, dass er "die Hände am Lenker" gehabt habe und diesen "festhielt", wobei er allerdings "keine Lenkbewegungen" ausgeführt habe.

Allein das Festhalten des Lenkers eines E-Scooters während der Fahrt durch einen Sozius stelle aber – unabhängig von aktiven Lenkbewegungen nach links oder rechts, um eine Kurve zu fahren – ein Lenken des Fahrzeugs und damit das "Führen" eines Fahrzeugs im Sinne des § 316 StGB dar, so das LG. Denn das Festhalten des Lenkers eines E-Scooters führe dazu, dass dieser in eine ganz bestimmte Richtung gelenkt wird: nämlich geradeaus. Dieses In-der-Spur-Halten des E-Scooters sei ein genuiner Lenkvorgang, weil ein kontrolliertes Fortbewegen des E-Scooters durch den Verkehrsraum, wenn beide Personen auf dem Roller sich am Lenker festhalten, nur durch ein Zusammenwirken beider Fahrer möglich ist. Das bedeute auch, dass der E-Scooter in einer Art "Mittäterschaft" von beiden Fahrern gleichzeitig geführt wird.

Dass nach der Einlassung des Beschuldigten lediglich der vordere Fahrer Einfluss auf die Geschwindigkeit gehabt habe, sei nach der Rechtsprechung des BGH ohne Belang. Denn ein "Führen" des Fahrzeugs könne hiernach auch dann vorliegen, wenn einzelne Bedienfunktionen – wie hier das Geradeauslenken – aufgeteilt werden. Dass sich der Beschuldigte nach den Ausführungen der Beschwerdebegründung über die Strafbarkeit der Handlung geirrt habe, stellt einen vermeidbaren Verbotsirrtum dar, betont das LG.

Der Beschuldigte sei zur Tatzeit auch absolut fahruntüchtig gewesen. Eine absolute Fahruntüchtigkeit sei beim Führen von E-Scootern aufgrund ihrer grundsätzlichen Einordnung als Kraftfahrzeuge bereits ab einer BAK von 1,1 Promille anzunehmen und nicht etwa – wie bei Fahrten mit einem Fahrrad – ab 1,6 Promille.

Ist die rechtswidrige Tat – wie hier – eine Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB, sei der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen (§ 69 Absatz 2 Nr. 2 StGB), so das LG. Dies rechtfertige auch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis bereits im Ermittlungsverfahren.

Landgericht Oldenburg, Beschluss vom 07.11.2022, 4 Qs 368/22

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