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Etappenweise Betriebsstilllegung: Sozial schutzwürdigste Arbeitnehmer mit Abwicklungsarbeiten zu beschäftigen
Bei einer etappenweisen Betriebsstilllegung sind grundsätzlich die sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmer mit den Abwicklungsarbeiten zu beschäftigen. Der Arbeitgeber habe keine freie Auswahl, wem er früher oder später kündigt. Dies stellt das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf klar.
Der Kläger war seit Anfang 2012 bei einem Unternehmen beschäftigt, das Aluminiumgussteile herstellte und vertrieb. Das Unternehmen beschäftigte in seinem einzigen Betrieb zuletzt knapp 600 Arbeitnehmer. Am 01.03.2022 wurde über das Vermögen der Firma das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. Im Dezember 2022 sprach das Unternehmen gegenüber allen Beschäftigten betriebsbedingte Beendigungskündigungen aus, soweit das Ende des Arbeitsverhältnisses nicht aus anderen Gründen feststand.
Alle Mitarbeitenden, auch der Kläger Verfahrens, wurden ab dem 01.01.2023 unwiderruflich freigestellt. Ausgenommen waren die Beschäftigten des Abwicklungsteams, das 53 Arbeitnehmer umfasste, wobei gegenüber 13 Personen Kündigungen zum 31.03.2023 und gegenüber den übrigen 40 Personen Kündigungen zum 30.06.2023 ausgesprochen wurden. Das Arbeitsverhältnis des Klägers kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 16.12.2022 zum 31.03.2023.
Die vom Kläger hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte in erster und zweiter Instanz Erfolg. Dies folge zwar nicht aus § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in Verbindung mit § 134 Bürgerliches Gesetzbuch wegen einer nicht ordnungsgemäßen Massenentlassungszeige. Etwaige Fehler in diesem Zusammenhang stellten keinen Unwirksamkeitsgrund dar, weil Zweck der Anzeige nicht der Individualschutz der Arbeitnehmer sei.
Die Kündigung war laut LAG indes aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Sozialauswahl (§ 1 Absatz 3 KSchG) rechtsunwirksam. Bei einer etappenweisen Betriebsstilllegung habe der Arbeitgeber keine freie Auswahl, wem er früher oder später kündigt. Es seien grundsätzlich die sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmer mit den Abwicklungsarbeiten zu beschäftigen. Das Unternehmen habe hier die Sozialauswahl methodisch fehlerhaft durchgeführt. Es habe die Vergleichsgruppen fehlerhaft gebildet.
Es habe diese unter anderem anhand der ursprünglich ausgeübten Tätigkeiten gebildet. Laut LAG hätte es die soziale Auswahl stattdessen anhand der noch im Abwicklungsteam anfallenden Tätigkeiten vornehmen müssen, zu denen es nur unvollständig vorgetragen habe. Es habe weitgehend an Vortrag dazu gefehlt, welche Aufgaben mit welcher Dauer im Abwicklungsteam anfielen, welche Anforderungsprofile dafür erforderlich waren und wie auf dieser Grundlage ein Vergleich vorgenommen werden soll. Die daraus folgende Vermutung der fehlerhaften Sozialauswahl habe die Firma nicht widerlegt.
Das LAG hat die Revision nicht zugelassen.
Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil vom 09.01.2024, 3 Sa 529/23