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Erziehungszeiten im EU-Ausland: Können zu höherer Rente wegen voller Erwerbsminderung führen

23.02.2024

Das Recht der Unionsbürger auf Freizügigkeit kann dazu führen, dass in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegte Erziehungszeiten bei der Berechnung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung zu berücksichtigen sind. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Zusammenhang mit einem Fall aus Deutschland entschieden.

Eine deutsche Staatsangehörige, die in den Niederlanden gelebt hatte und wieder in Deutschland lebt, erhält dort eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie wendet sich vor den deutschen Gerichten dagegen, dass die Erziehungszeiten, die sie für ihre beiden Kinder in den Niederlanden zurückgelegt hat, bei der Berechnung dieser Rente nicht berücksichtigt wurden. Das mit dem Rechtsstreit befasste Gericht möchte vom EuGH wissen, ob diese Nichtberücksichtigung von in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Erziehungszeiten mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Der EuGH stellt zunächst fest, dass die Betroffene die in den europäischen Rechtsvorschriften über die Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit aufgestellten Voraussetzungen für die Berücksichtigung dieser Zeiten nicht erfüllt. Sie habe nämlich weder vor noch zu dem Zeitpunkt, zu dem sie mit der Erziehung ihrer Kinder begonnen hat, in Deutschland eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt. Dagegen habe sie dort sowohl vor als auch nach diesen Zeiten Versicherungszeiten für Ausbildungs- oder Beschäftigungszeiten zurückgelegt.

Der EuGH weist weiter darauf hin, dass Deutschland derjenige Mitgliedstaat sei, der für die Gewährung der fraglichen Rente ausschließlich zuständig ist. Die Betroffene habe in den Niederlanden nämlich keinen Anspruch auf eine solche Rente, da sie dort nie gearbeitet hat. Damit könnten die streitigen Zeiten dort nicht berücksichtigt werden.

Bei einer solchen Sachlage ergebe sich aus dem Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, dass der für die Rente wegen voller Erwerbsminderung leistungspflichtige Mitgliedstaat (im vorliegenden Fall Deutschland) die Erziehungszeiten zu berücksichtigen hat, die in einem anderen Mitgliedstaat (im vorliegenden Fall den Niederlanden) zurückgelegt wurden.

Bei der in Rede stehenden Sachlage bestehe nämlich eine hinreichende Verbindung zwischen den Erziehungszeiten und den Versicherungszeiten, die die Betroffene aufgrund einer Berufstätigkeit im für die Rente leistungspflichtigen Mitgliedstaat zurückgelegt hat, so der EuGH. Dass sie in diesem Mitgliedstaat während bestimmter Zeiten, die nach seinem nationalen Recht Versicherungszeiten gleichgestellt sind, keine Beiträge entrichtet hat, insbesondere weder vor noch unmittelbar nach den Erziehungszeiten, lasse das Bestehen einer solchen Verbindung nicht entfallen.

Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 22.04.2023, C-283/21

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