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Ersatzzustellung: Datumsvermerk ist zwingende Voraussetzung
Bei der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten müssen Postboten den Tag der Zustellung direkt auf dem Umschlag vermerken. Das schreibt § 180 S. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) vor. Dies sei eine zwingende Zustellvorschrift, entschied nun der Bundesgerichtshof (BGH). Unterbleibt der Datumsvermerk, gelte das Schriftstück erst an dem Tag als zugestellt, an dem es dem Empfänger tatsächlich zugegangen ist. In diesem Fall müsse die Partei, die sich auf eine frühere Zustellung beruft, diese auch beweisen und nicht nur die angeblich spätere bestreiten. Über den Fall berichtet die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK).
Die Parteien streiten sich laut BRAK um das Zustellungsdatum eines Versäumnisurteils und dementsprechend auch um die Einspruchsfrist gegen ebenjenes Urteil. Der Umschlag mit dem Urteil sei zwar am 07.10.2021 beim Beklagten in den Briefkasten gelegt, wie sich aus der Zustellungsurkunde ergibt. Der verurteilte Mann behaupte jedoch, es erst am 08.10.2021 aus dem Briefkasten geholt zu haben. Weil auf dem Umschlag kein Datum vermerkt gewesen sei, habe er gedacht, die Frist beginne auch erst an diesem Tag. Dementsprechend habe er den Einspruch auch erst am 22.10.2021 eingereicht. Das Amtsgericht habe den Einspruch jedoch als verfristet angesehen.
Die dagegen gerichtete Berufung hat das Landgericht (LG) laut BRAK zurückgewiesen. Es sei der Ansicht gewesen, der fehlende Vermerk ändere nichts daran, dass das Urteil als am 07.10.2021 zugestellt gelte. Die Pflicht der Briefträger nach § 180 S. 3 ZPO, das Datum auf dem Umschlag zu vermerken, sei keine Voraussetzung der Zustellung. Zur Begründung habe sich das LG auf den Wortlaut, die Systematik und den angeblichen Willen des Gesetzgebers bei einer Neufassung der entsprechenden Vorschriften von 2001 berufen. Durch den Vermerk auf dem Umschlag solle dem Empfänger lediglich das Zustelldatum zur Kenntnis gebracht werden. Wenn es fehle und das zu Verwirrungen über die Frist führe, könne Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.
Wie die BRAK mitteilt, widersprach der BGH nun der Rechtsansicht des LG und entschied damit auch einen Meinungsstreit in der juristischen Literatur und Rechtsprechung. Bei der Anbringung des Vermerks handele es sich um eine zwingende Voraussetzung der Ersatzzustellung nach § 180 ZPO, so die Karlsruher Richter. Werde die Pflicht, das Datum zu vermerken, nicht beachtet, beginne die an die Zustellung geknüpfte Frist gemäß § 189 ZPO erst mit dem tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks.
Dies entspreche der langjährigen Rechtsprechung des BGH. Daran habe sich auch trotz der Neufassung der Vorschriften nichts geändert. Weder Wortlaut, Systematik noch der Wille des Gesetzgebers deuteten auf etwas anderes hin. Außerdem sei diese Rechtsansicht zum Schutz des Adressaten erforderlich für dessen Anspruch auf rechtliches Gehör. Schließlich sei an das Zustelldatum der Beginn einer wichtigen prozessualen Pflicht geknüpft. Hierüber dürfe keine Ungewissheit herrschen.
Mit dieser Begründung habe der BGH den Fall zurück ans LG verwiesen, so die BRAK. Dieses müsse nun klären, ob auf dem Umschlag das Datum der Zustellung vermerkt war oder ob dieser Vermerk tatsächlich fehlte. Für den Fall, dass es tatsächlich fehlte, habe der BGH den Hinweis erteilt, dass der Kläger die Darlegungs- und Beweislast dafür trage, dass der Beklagte das Urteil noch am 07.10.2021 tatsächlich zur Kenntnis genommen habe. Es reiche hingegen nicht, nur zu bestreiten, dass er es erst am 08.10.2021 aus dem Briefkasten genommen habe.
Bundesrechtsanwaltskammer, PM vom 24.05.2023 zu Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.03.2023, VIII ZR 99/22