Mitglied werden
Suche
Vor Ort
Presse
Menü

Veränderung pro Sekunde

Login
Menü schließen

Menü schließen

Sie sind hier:  Startseite  Bayern  Newsticker-Archiv    Einrichtung von Websperren: Anspruchsvor...

Einrichtung von Websperren: Anspruchsvoraussetzungen konkretisiert

14.10.2022

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, unter welchen Voraussetzungen Rechtsinhaber von Internetzugangsanbietern nach § 7 Absatz 4 Telemediengesetz (TMG) die Sperrung des Zugangs zu Internetseiten beanspruchen können.

Die Beklagte ist ein Telekommunikationsunternehmen. Die Klägerinnen sind Wissenschaftsverlage. Sie verlangen von der Beklagten, dass diese den Zugang zu den Internetseiten von zwei Internetdiensten sperrt, auf denen – nach Darstellung der Klägerinnen – wissenschaftliche Artikel und Bücher bereitgehalten werden, an denen ihnen die ausschließlichen Nutzungsrechte zustehen.

Das Landgericht (LG) hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht (OLG) das Urteil des LG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die Klägerinnen hätten entgegen § 7 Absatz 4 TMG nicht die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft, der Verletzung ihrer Rechte abzuhelfen. Es sei ihnen zumutbar gewesen, vor Inanspruchnahme der Beklagten den in der EU (Schweden) ansässigen Host-Provider der beiden Internetdienste gerichtlich auf Auskunft in Anspruch zu nehmen, um anschließend mit den erlangten Informationen gegen die Betreiber der Internetdienste vorzugehen.

Die Beurteilung des OLG halte der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand, so der BGH. Für den Rechtsinhaber bestehe dann im Sinne des § 7 Absatz 4 Satz 1 TMG keine andere Möglichkeit, der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, wenn zumutbare Anstrengungen zur Inanspruchnahme der Beteiligten, die die Rechtsverletzung selbst begangen oder zu ihr durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben, gescheitert sind oder ihnen jede Erfolgsaussicht fehlt. Der Access-Provider, der lediglich allgemein den Zugang zum Internet vermittelt, hafte nur subsidiär gegenüber denjenigen Beteiligten, die (wie der Betreiber der Internetseite) die Rechtsverletzung selbst begangen oder (wie der Host-Provider) zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben und daher wesentlich näher an der Rechtsgutsverletzung sind.

Als Maßnahme der Sperrung komme die von den Klägerinnen begehrte DNS(Domain-Name-System)-Sperre in Betracht. Mit dieser werde die Zuordnung zwischen dem in die Browserzeile eingegebenen Domainnamen und der IP-Adresse des Internetdiensts auf dem DNS-Server des Access-Providers verhindert, sodass der Domainname nicht mehr zur entsprechenden Internetseite führe, die allerdings unter ihrer IP-Adresse weiterhin erreichbar sei.

Welche Anstrengungen zur Inanspruchnahme des Betreibers der Internetseite und des Host-Providers zumutbar sind, ist laut BGH eine Frage des Einzelfalls. Der Rechtsinhaber sei in zumutbarem Umfang dazu verpflichtet, Nachforschungen zur Ermittlung der vorrangig in Anspruch zu nehmenden Beteiligten anzustellen. Die außergerichtliche Inanspruchnahme eines bekannten Betreibers der Internetseite oder Host-Providers auf Entfernung der urheberrechtsverletzenden Inhalte sei dem Rechtsinhaber im Regelfall ebenfalls zumutbar. Mit Blick auf eine gerichtliche Durchsetzung von Unterlassungs- und Auskunftsansprüchen sei allerdings in besonderem Maß zu berücksichtigen, dass dem Rechtsinhaber keine Maßnahmen auferlegt werden dürften, die zu einer unzumutbaren zeitlichen Verzögerung seiner Anspruchsdurchsetzung führen. Ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen innerhalb der EU ansässige Betreiber oder Host-Provider habe der Rechtsinhaber jedoch grundsätzlich anzustrengen. Grundsätzlich zumutbare Anstrengungen könnten im Einzelfall unterbleiben, wenn ihnen aus vom Anspruchsteller darzulegenden Gründen jede Erfolgsaussicht fehlt.

Nach diesen Maßstäben sei die Beurteilung des OLG, es wäre den Klägerinnen zumutbar gewesen, vor der Inanspruchnahme der Beklagten den Host-Provider der betroffenen Internetdienste in Schweden gerichtlich auf Auskunft in Anspruch zu nehmen, nicht frei von Rechtsfehlern. Die Feststellungen des OLG zur Rechtslage in Schweden ließen offen, ob den Klägerinnen dort ein Rechtsbehelf des einstweiligen Rechtsschutzes für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Drittauskunft gegen den dort ansässigen Host-Provider zur Verfügung gestanden hätte.

Das Berufungsurteil erweise sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, fährt der BGH fort. Von den Klägerinnen sei jedenfalls der Versuch zu verlangen, vor einem deutschen Gericht im Wege der einstweiligen Verfügung einen Auskunftsanspruch gegen den schwedischen Host-Provider geltend zu machen. Es bestehe kein Anlass zur Zurückverweisung der Sache an das OLG. Die Klägerinnen hätten umfassend zu den von ihnen ergriffenen Maßnahmen vorgetragen. Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebiete es nicht, den Klägerinnen durch eine Zurückverweisung die Möglichkeit zu verschaffen, bisher unterbliebene Ermittlungsmaßnahmen erst noch zu veranlassen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.10.2022, I ZR 111/21 – DNS-Sperre

Mit Freunden teilen