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Eigenbedarfskündigung: Nicht zugunsten eines Cousins

15.07.2024

Als Familienangehörige im Sinne des § 577a Absatz 1a Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB – Ausnahme von der Kündigungsbeschränkung bei einem Wohnungserwerb) sind – ebenso wie bei der Eigenbedarfskündigung gemäß § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB – ausschließlich diejenigen Personen anzusehen, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen gemäß § 383 Zivilprozessordnung (ZPO), § 52 Strafprozessordnung (StPO) zusteht. Cousins zählen laut BGH nicht hierzu.

Geklagt hatte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie begehrt nach Ausspruch einer Kündigung wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter von den Beklagten die Räumung und Herausgabe einer an diese vermieteten Wohnung. Die GbR hatte das Gebäude, in dem sich die Wohnung befindet, nach deren Überlassung an die Beklagten erworben und ist dadurch als Vermieterin in das bestehende Mietverhältnis eingetreten. Zum damaligen Zeitpunkt hatte die Klägerin zwei Gesellschafter, die Cousins waren.

Die Beklagten haben die Kündigung für unwirksam gehalten und sich hierbei auf die Kündigungsbeschränkung des § 577a Absatz 1a Satz 1 Nr. 1, Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 2 der Kündigungsschutzklausel-Verordnung des Landes Berlin vom 13.08.2013 berufen. Hiernach kann sich eine Personengesellschaft, an die vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter veräußert worden ist, erst nach Ablauf von zehn Jahren seit der Veräußerung für eine Kündigung der Wohnung gegenüber dem Mieter auf berechtigte Interessen im Sinne von § 573 Absatz 2 Nr. 2 oder 3 BGB berufen. Diese Kündigungsbeschränkung gilt indes dann nicht, wenn die im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs vorhandenen Gesellschafter derselben Familie angehörten. Die Klägerin meint, dass dies (auch) bei Cousins der Fall sei und deshalb die Kündigungsbeschränkung im Streitfall nicht eingreife.

Der BGH hat entschieden, dass den Begriffen "Familie" in § 577a Absatz 1a Satz 2 BGB und "Familienangehörige" in § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB dieselbe Bedeutung zukommt und hiervon ausschließlich diejenigen Personen umfasst sind, denen ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen gemäß § 383 ZPO, § 52 StPO zusteht. Ein entfernterer Verwandter, der – wie ein Cousin – nicht zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist, gehöre somit auch dann nicht zu dem von § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB privilegierten Personenkreis, wenn zwischen ihm und dem Vermieter eine enge persönliche Bindung besteht. Ebenso gelte die Privilegierung des § 577a Absatz 1a Satz 2 BGB selbst im Fall einer engen persönlichen Verbundenheit zwischen den Mitgesellschaftern nicht, wenn das Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihnen so entfernt ist, dass es sie nicht zur Zeugnisverweigerung nach § 383 ZPO, § 52 StPO berechtigt.

Mit der Privilegierung von Familienangehörigen in § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB habe der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass innerhalb einer Familie aufgrund enger Verwandtschaft typischerweise ein Verhältnis persönlicher Verbundenheit und gegenseitiger Solidarität besteht, das die Ermöglichung einer Kündigung zugunsten Familienangehöriger rechtfertigt. Auch die Privilegierung von Familienangehörigen in § 577a Absatz 1a Satz 2 BGB beruhe auf der Überlegung, dass aufgrund der engen persönlichen Bindung ein legitimes Interesse an der (zeitnahen) Geltendmachung des Eigenbedarfs besteht.

Der vom Gesetzgeber bezweckten Privilegierung von Familienangehörigen in den vorgenannten Bestimmungen liege mithin eine typisierende Betrachtungsweise dahingehend zugrunde, dass zwischen den hiervon umfassten Personen aufgrund einer familiären Beziehung eine besondere persönliche Nähebeziehung anzunehmen ist. Vor diesem Hintergrund bedürfe es für den vom Gesetzgeber privilegierten Personenkreis des (zusätzlichen) Vorliegens eines konkreten, tatsächlichen Näheverhältnisses nicht. Auch scheide eine Erweiterung dieses geschützten Personenkreises aufgrund einer einzelfallbezogenen Prüfung des Vorliegens einer besonderen sozialen Nähe angesichts der dem Gesetz zu Grunde liegenden typisierenden Betrachtungsweise aus.

Entscheidend sei damit letztlich, für welchen Personenkreis der Gesetzgeber durch die Verwendung des Begriffs der Familie eine typischerweise vorliegende besondere soziale Bindung angenommen hat. Im Rahmen von § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB und § 577a Absatz 1a Satz 2 BGB habe er dies nicht näher konkretisiert, so der BGH. Er habe eine solche Bewertung jedoch im Rahmen der ebenfalls auf der persönlichen Nähebeziehung und Verbundenheit gründenden Gewährung eines Zeugnisverweigerungsrechts aus persönlichen Gründen vorgenommen. Dort habe er objektive Kriterien nach dem Grad der familiären Beziehung aufgestellt und hierdurch den Personenkreis definiert, innerhalb dessen nach seiner Ansicht typischerweise eine persönliche Nähebeziehung besteht. Es sei sachgerecht, diese gesetzgeberischen Wertungen auch für die ebenfalls in der persönlichen Verbundenheit begründeten Privilegierungen von Familienangehörigen nach § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB und § 577a Absatz 1a Satz 2 BGB heranzuziehen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kam laut BGH eine Anwendung des § 577a Absatz 1a Satz 2 BGB im Streitfall nicht in Betracht. Denn den im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs an dem streitgegenständlichen Grundstück vorhandenen beiden Gesellschaftern der Klägerin stehe als Cousins und damit als Verwandte in der Seitenlinie im vierten Grad ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 ZPO, § 52 StPO nicht zu. Sie gehörten somit nicht zu derselben Familie im Sinne des § 577a Absatz 1a Satz 2 BGB.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.07.2024, VIII ZR 276/23

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