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Ehemaliger Verbandsgemeinde-Bürgermeister: Muss keinen Schadenersatz leisten

27.07.2022

Der frühere Bürgermeister der Verbandsgemeinde Waldfischbach-Burgalben ist dieser gegenüber nicht zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt an der Weinstraße entschieden und deshalb einen entsprechenden Heranziehungsbescheid der Verbandsgemeinde aufgehoben.

Die verbandsangehörige Ortsgemeinde Heltersberg hatte 2003 ein Bauprojekt zur Erneuerung und Umgestaltung des "Hensel`schen Anwesens" beschlossen. Das Anwesen mit drei Gebäudeteilen und dazugehörigen Außenanlagen sollte im Rahmen eines Dorferneuerungsprogramms erhalten und einer neuen Nutzung zugeführt werden. Die Kosten hierfür wurden ursprünglich auf 1,2 Millionen Euro veranschlagt, stiegen im Laufe der Zeit aber auf mehr als vier Millionen Euro. Im Mai 2005 schloss der damalige Ortsbürgermeister auf der Grundlage von Beschlüssen des Ortsgemeinderates vom 12.06.2003 sowie vom 06.04.2005 ohne vorherige öffentliche Ausschreibung und ohne Beteiligung der Verbandsgemeinde einen Ingenieur- und Architektenvertrag mit einer ortsansässigen Ingenieurgemeinschaft. Der Ortsgemeinderat stimmte anschließend in seiner Sitzung vom 28.07.2005 einer Gesamtkostenschätzung für die Maßnahmen in Höhe von 1.200.000 Euro zu.

Auf Antrag der Ortsgemeinde bewilligte das Ministerium des Innern und für Sport 2006 und 2008 Fördermittel des Landes für den ersten Bauabschnitt in Höhe von insgesamt 371.750 Euro. Im März 2010 stellte das Rechnungs- und Gemeindeprüfungsamt der Kreisverwaltung Südwestpfalz vergaberechtliche Ungereimtheiten betreffend den ersten Bauabschnitt fest. Die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) erstellte am 14.02.2011 einen Prüfbericht, in dem Verstöße gegen Vergabevorschriften bemängelt wurden.

Nach Anhörung der Ortsgemeinde widerrief die ADD mit Bescheid vom 13.01.2012 die Bewilligungsbescheide über die Fördermittel für den ersten Bauabschnitt und forderte die Rückzahlung der bereits geleisteten Beträge zuzüglich Zinsen in Höhe von 58.497,28 Euro. Zur Begründung des Widerrufs wurden die fehlerhafte Vergabe des Ingenieur- und Architektenvertrags ohne öffentliche Ausschreibung und unter Umgehung der Verbandsgemeinde sowie der teils vergabewidrige Inhalt dieses Vertrags (unter anderem überhöhte Nebenkosten und Zuschläge) angeführt. Die ADD wies in dem Widerrufsbescheid außerdem "deklaratorisch" auf weitere Vergabeverstöße und eine mangelhafte Information des Ortsgemeinderats hin.

Die Ortsgemeinde Heltersberg verzichtete zu Beginn 2012 auf Rechtsmittel gegen den Widerrufsbescheid. Ihr Gemeinderat beschloss – nahezu vier Jahre danach – in der Sitzung vom 17.11.2015, den erlittenen Schaden durch den Verlust der Fördermittel und durch überhöhte Zahlungen an das Ingenieurbüro bei ihrem ehemaligen Ortsbürgermeister, der beauftragten Ingenieurgemeinschaft und dem Kläger als ehemaligem Verbandsgemeindebürgermeister geltend zu machen.

Mit Bescheid vom 22.12.2015 forderte die Verbandsgemeinde als ehemalige Dienstherrin vom Kläger den Ersatz des Schadens der Ortsgemeinde nach der beamtenrechtlichen Haftungsnorm des § 48 Beamtenstatusgesetz in Höhe von 471.573,20 Euro für verlorene Fördermittel, Zinszahlungen und die angeblich überhöhten Honorarzahlungen an das Ingenieurbüro. Der Kläger habe die Vergabeverstöße nicht durch sein Einschreiten als Verbandsgemeindebürgermeister verhindert und damit den Widerruf der Fördermittel mitverursacht. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2018 zurück.

Die hiergegen erhobene Klage wurde zunächst auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten im Hinblick auf das gegen den ehemaligen Ortsbürgermeister geführte verwaltungsgerichtliche Verfahren zum Ruhen gebracht. In diesem Verfahren entschied das VG, dass der frühere Ortsbürgermeister zum Schadenersatz verpflichtet sei (1 K 534/18.NW). Nach dem rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens ist das Klageverfahren gegen den ehemaligen Bürgermeister der Verbandsgemeinde durch das Gericht wiederaufgenommen worden.

In dem parallel von der Ortsgemeinde Heltersberg und der Ingenieurgemeinschaft beim Landgericht (LG) Zweibrücken geführten zivilgerichtlichen Verfahren schlossen die dortigen Beteiligten 2020 einen Vergleich, durch den wechselseitig alle Ansprüche gegenstandslos wurden und in dem teilweise eine Wirkung zugunsten Dritter vereinbart wurde.

Das VG Neustadt hat nun entschieden, dass der Kläger für den Schaden der Ortsgemeinde nicht von der Verbandsgemeinde gemäß § 48 Beamtenstatusgesetz in Haftung genommen werden kann. Voraussetzung für einen solchen beamtenrechtlichen Schadenersatzanspruch der ehemaligen Dienstherrin (der Verbandsgemeinde) gegen ihren früheren Bürgermeister wäre, dass dieser in seiner Amtszeit, also in der Zeit vom 01.01.2007 bis zum 31.12.2014, vorsätzlich oder grob fahrlässig seine Dienstpflichten verletzt hätte und dies ursächlich zum Widerruf der Fördermittel und damit zum Eintritt des Schadens bei der Ortsgemeinde geführt hätte. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor.

Der Kläger könne für die Verstöße gegen die Vorschriften des Vergaberechts, die ausweislich des Widerrufsbescheids der ADD vom 13.02.2012 entscheidend zum Widerruf der Fördermittel geführt haben, nicht persönlich verantwortlich gemacht werden. Zum Zeitpunkt der von der ADD beanstandeten Vergabe des Ingenieur- und Architektenvertrags an ein ortsansässiges Ingenieurbüro ohne vorherige öffentliche Ausschreibung im Mai 2005 sei der Kläger als Verbandsgemeindebürgermeister nämlich noch nicht im Amt gewesen. Weitere im Widerrufsbescheid lediglich "deklaratorisch" angeführte (spätere) Verstöße gegen das Vergabeverfahren seien für den Widerruf der Fördermittel nicht ursächlich gewesen und könnten dementsprechend auch keine Schadenersatzansprüche gegen den früheren Verbandsgemeindebürgermeister begründen. Auch seien im Übrigen keine vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Dienstpflichtverletzungen des Klägers im Verfahren feststellbar gewesen.

Unabhängig davon müsse sich der inzwischen vor dem LG Zweibrücken abgeschlossene Vergleich der Ortsgemeinde Heltersberg mit dem von ihr ebenfalls als Gesamtschuldner für denselben Schaden in Anspruch genommenen Ingenieurbüro auf etwaige Ansprüche gegen den Kläger und damit auf die streitgegenständlichen Bescheide auswirken, da die Ortsgemeinde in dem Vergleich auch gegenüber möglichen sonstigen Gesamtschuldnern (dem früheren Ortsbürgermeister und dem Kläger) auf ihre Forderung teilweise verzichtet habe. Auch aus diesem Grund erweise sich der streitgegenständliche Haftungsbescheid der Verbandsgemeinde als rechtswidrig und unterliege der gerichtlichen Aufhebung.

Gegen das Urteil kann Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz gestellt werden.

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 22.06.2022, 1 K 507/18.NW

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