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Dublin-Überstellungsfrist: Keine Verlängerung wegen bloßer Nichtbefolgung einer Selbstgestellungsaufforderung

23.08.2021

Befolgt ein Asylantragsteller eine Aufforderung nicht, sich zu einem bestimmten Termin zur zwangsweisen Überstellung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen EU-Mitgliedstaat einzufinden (Selbstgestellung), folgt allein hieraus kein "Flüchtigsein" im Sinne der Dublin III-Verordnung, sodass eine Verlängerung der Überstellungsfrist nicht gerechtfertigt ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden.

Die drittstaatsangehörigen Kläger haben nach Schutzgesuchen in anderen EU-Mitgliedstaaten Asylanträge in Deutschland gestellt, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als unzulässig ablehnte. Die Ausländerbehörde forderte sie deshalb – teilweise nach erfolglosen Überstellungsversuchen – auf, sich zur Überstellung in den zuständigen EU-Mitgliedstaat zu einem bestimmten Termin bei der Polizeibehörde einzufinden. Nachdem sie dem nicht Folge geleistet hatten, verlängerte das BAMF die Überstellungsfrist gegenüber den zuständigen Mitgliedstaaten auf 18 Monate, weil sie "flüchtig" seien (Artikel 29 Absatz 2 Satz 2 Hs. 2 Dublin III-VO).

Die Vorinstanzen haben die Unzulässigkeitsentscheidungen des BAMF aufgehoben. Die Kläger seien nicht flüchtig gewesen. Mithin habe die Überstellungsfrist nicht verlängert werden dürfen, sodass die Zuständigkeit für die Durchführung der Asylverfahren inzwischen wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Beklagte übergegangen sei.

Das BVerwG hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 19.03.2019, C 163/17 – Jawo) sei ein Schutzsuchender "flüchtig" im Sinne der Dublin III-VO, wenn er sich den für die Durchführung seiner Überstellung zuständigen nationalen Behörden gezielt entzieht, um die Überstellung zu vereiteln, und sein Verhalten kausal dafür ist, dass eine Überstellung tatsächlich (zeitweilig) objektiv unmöglich ist.

Bei der Überprüfung, ob ein Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt der daran anknüpfenden behördlichen Verlängerung der Überstellungsfrist "flüchtig" war, habe das Gericht alle objektiv bestehenden Gründe zu berücksichtigen, auch wenn die Behörde die Verlängerungsentscheidung darauf nicht gestützt hat. Allein eine Verletzung von Mitwirkungspflichten rechtfertige jedenfalls bei einer zwangsweisen Überstellung nicht die Annahme eines "Flüchtigseins", solange der zuständigen Behörde der Aufenthalt des Antragstellers bekannt ist und sie die objektive Möglichkeit einer Überstellung – gegebenenfalls unter Anwendung unmittelbaren Zwangs – hat.

Flugunwilligkeit, der Aufenthalt im offenen Kirchenasyl oder das einmalige Nichtantreffen des Betroffenen in der Unterkunft reichten regelmäßig nicht zur Begründung eines "Flüchtigseins". Ungeachtet der Frage der Rechtsqualität einer Selbstgestellungsaufforderung im Dublin-Überstellungsverfahren und deren Ermächtigungsgrundlage im nationalen Recht begründe auch deren Nichtbefolgung kein "Flüchtigsein" im unionsrechtlichen Sinne.

Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 17.08.2021, BVerwG 1 C 26.20, BVerwG 1 C, BVerwG 1 C 51.20, BVerwG 1 C 55.20 und BVerwG 1 C 1.21

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