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Doc Morris: Kein vorbeugender Rechtsschutz gegen eventuelle Sanktionen wegen Gewährung unerlaubter Zuwendungen

15.12.2021

Der Antrag der Online-Versandapotheke Doc Morris auf Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes gegen mögliche Vertragsstrafen wegen Verstoßes gegen das Verbot von Zuwendungen bei der Abgabe verordneter Arzneimittel ist unzulässig. Die Apotheke hat kein Rechtsschutzbedürfnis auf die vorläufige Feststellung, dass die Paritätische Stelle des GKV-Spitzenverbandes und des Deutschen Apothekerverbandes nicht berechtigt sei, Sanktionen gegen sie zu verhängen. Ihr drohe nämlich kein unzumutbarer, insbesondere kein nicht wiedergutzumachender Nachteil, so das Sozialgericht (SG) Berlin.

Das am 15.12.2020 in Kraft getretene Vor-Ort-Apotheken-Stärken-Gesetz (VOSAG) verbietet Apotheken die Gewährung von Vergünstigungen bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an gesetzlich Versicherte. Verstöße hiergegen können mit Vertragsstrafen von bis zu 250.000 Euro und der Aussetzung der Versorgungsberechtigung bestraft werden (§ 27 Absatz 4 Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Absatz 2 Sozialgesetzbuch V). Zuständig für die Überwachung des so genannten Rx-Boni-Verbotes ist die zum 01.10.2021 geschaffene Paritätische Stelle des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) und des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), die vorliegend Antragsgegnerin war.

Die in den Niederlanden ansässige Antragstellerin betreibt eine Online-Versand-Apotheke und gewährte ihren Kunden in der Vergangenheit im Rahmen von Treue-Programmen Gutschriften für eingelöste Rezepte. Sie möchte weiterhin derartige Zuwendungen gewähren und damit werben.

Mit Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vom 29.10.2021 begehrte die Antragstellerin die Feststellung, dass die Antragsgegnerin nicht berechtigt sei, Vertragsstrafen zu verhängen oder ihre Versorgungsberechtigung auszusetzen. Zur Begründung führte sie aus, dass der gesetzlich verlangte Verzicht auf die beabsichtigte Preiswerbung zu erheblichen Umsatzeinbußen führen würde. Das Rx-Boni-Verbot würde zudem gegen die im EU-Recht verankerte Warenverkehrsfreiheit verstoßen, insbesondere auch im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 19.10.2016 (C-148/15) zu § 78 Arzneimittelgesetz alter Fassung. Der Anteil von EU-Versandapotheken am Markt verschreibungspflichtiger Arzneimittel mache zudem nur ein Prozent aus, weshalb eine Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts der gesetzlichen Krankenversicherung durch eine Fortsetzung der Boni-Praxis ohnehin ausscheide.

Das SG Berlin hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, da er unzulässig sei. Die Antragstellerin habe kein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für den begehrten vorläufigen Rechtsschutz. Ihr drohten nämlich keine unzumutbaren Nachteile, insbesondere keine nicht wiedergutzumachenden. Deshalb könne sie erforderlichenfalls auf nachträglichen Rechtsschutz verwiesen werden.

Die Antragstellerin sei in der Lage, eine etwaige Aussetzung der Berechtigung zur weiteren Versorgung mit Sachleistungen durch die fristgemäße Begleichung einer etwa verhängten Vertragsstrafe von bis zu 250.000 Euro zu verhindern. Denn erst nach Fristablauf könne die Aussetzung als Druckmittel erforderlich sein, um die Zahlung einer Vertragsstrafe durchzusetzen. Dass schon eine solche Vertragsstrafe eine unzumutbare Belastung darstelle, habe die Antragstellerin nicht dargelegt.

Aber selbst, wenn man die durch Sanktionen drohenden Nachteile als unzumutbar einstufen würde, wäre vorbeugender Rechtsschutz nicht erforderlich, da die Antragstellerin diese auch dadurch abwenden könnte, dass sie auf die Gewährung der umstrittenen Zuwendungen verzichtet. Sie habe nämlich auch nicht glaubhaft gemacht, durch die Einhaltung des Boni-Verbots tatsächlich erhebliche Umsatz- und Gewinneinbußen gehabt zu haben. Zudem sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin durch die Einführung des E-Rezeptes zum 01.01.2022 ohnehin nicht unerhebliche Zuwächse bei der Abgabe verordneter Arzneimittel erzielen werde.

Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Er kann von der Antragstellerin mit der Beschwerde zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg angefochten werden.

Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 10.12.2021, S 208 KR 1782/21 ER, nicht rechtskräftig

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