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Dieselskandal: Ersatzlieferung erheblich höherwertigen Nachfolgemodells kann Zuzahlung des Käufers erfordern

10.12.2021

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat seine Rechtsprechung zum Nacherfüllungsanspruch eines Käufers eines aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung mangelhaften Neufahrzeugs weiterentwickelt. Danach kann die Ersatzlieferung eines sehr viel höherwertigen Nachfolgemodells eine Zuzahlung des Käufers erfordern.

Der Kläger erwarb im Juni 2015 von der beklagten Fahrzeughändlerin für 19.910 Euro einen mit einem Dieselmotor EA 189 ausgestatteten neuen VW Caddy III. Nachdem im Verlauf des Dieselskandals öffentlich bekannt geworden war, dass auch das vom Kläger erworbene Kfz hiervon betroffen ist, teilte VW dem Kläger im Dezember 2016 mit, dass für sein Kfz ein zur Beseitigung des Mangels entwickeltes und vom Kraftfahrtbundesamt freigegebenes Software-Update zur Verfügung stehe. Der Kläger lehnte das Aufspielen des Updates ab und verlangte stattdessen im Mai 2017 von der Beklagten die Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs des Nachfolgemodells Caddy IV. Die Beklagte verweigerte eine Nachlieferung unter anderem mit der Begründung, dass deren Kosten im Vergleich zum Aufwand einer Nachbesserung durch das Software-Update unverhältnismäßig seien.

Der BGH hat dazu letztinstanzlich entschieden, dass der Käufer eines (aufgrund einer unzulässigen Abschalteinrichtung) mangelhaften Neufahrzeugs im Rahmen seiner Gewährleistungsrechte die Ersatzlieferung eines nunmehr hergestellten Nachfolgemodells nur gegen eine angemessene Zuzahlung verlangen kann, wenn dieses einen erheblichen Mehrwert gegenüber dem ursprünglich erworbenen Fahrzeug hat. Weiter hat er klargestellt, dass die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen der Unverhältnismäßigkeitseinrede grundsätzlich den Verkäufer trifft.

Der BGH hat zunächst seine Rechtsprechung bestätigt, wonach eine vom Käufer eines mangelhaften Neuwagens geforderte Ersatzlieferung nicht bereits deshalb unmöglich und damit ausgeschlossen ist, weil anstelle des ursprünglich erworbenen Fahrzeugmodells zwischenzeitlich ein Nachfolgemodell auf den Markt getreten ist. Vielmehr erstrecke sich die so genannte Beschaffungspflicht des Verkäufers in einem solchen Fall auch auf ein neuwertiges Nachfolgemodell, solange der Käufer seinen Nachlieferungsanspruch – wie vorliegend geschehen – innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren ab Vertragsabschluss gegenüber dem Verkäufer geltend macht.

Soweit in einem solchen Fall das betreffende Nachfolgemodell allerdings – was der Verkäufer darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat – einen erheblichen Mehrwert gegenüber dem ursprünglich erworbenen Modell aufweist, der eine Erhöhung des Listenpreises um ein Viertel oder mehr voraussetzt, sei weiter zu prüfen, ob nach dem nach beiden Seiten interessengerecht auszulegenden Parteiwillen die Ersatzlieferung eines solchen Nachfolgemodells nur gegen eine angemessene Zuzahlung des Käufers als austauschbar anzusehen ist.

Liegt die Differenz der Listenpreise unter diesem Wert, scheide eine Obliegenheit des Käufers zu einer Zuzahlung aus. Ist die genannte Grenze erreicht, sei bezüglich einer Zuzahlung des Käufers zu beachten, dass sie weder dessen Nacherfüllungsanspruch aushöhlen dürfe noch den Verkäufer von jeglicher mit der Nacherfüllung einhergehenden wirtschaftlichen Belastung befreien solle. Daher habe der Käufer die einen erheblichen Mehrwert begründende Differenz zwischen den Listenpreisen nicht vollständig, sondern in der Regel lediglich in Höhe eines Drittels (in Ausnahmefällen bis zur Hälfte) auszugleichen. Falls der Käufer zu einer hiernach angemessenen – im jeweiligen Einzelfall vom Tatrichter nach freiem Schätzungsermessen zu bestimmenden – Zuzahlung nicht bereit sein sollte, entfalle die das Nachfolgemodell erfassende Beschaffungspflicht des Verkäufers und damit auch ein hierauf gerichteter Nachlieferungsanspruch des Käufers. Etwaige weitere Gewährleistungsansprüche des Käufers blieben hiervon allerdings unberührt.

Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts könne vorliegend nicht ausgeschlossen werden, dass das vom Kläger im Rahmen seines Nachlieferungsbegehrens beanspruchte Modell des VW Caddy gegenüber dem ursprünglich erworbenen Modell der dritten Generation einen erheblichen Mehrwert aufweist und nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen ein entsprechender Nachlieferungsanspruch deshalb nur gegen eine angemessene Zuzahlung des Klägers in Betracht kommen könnte. Um dies abschließend beurteilen zu können, bedarf es laut BGH allerdings zunächst einer Feststellung der zu vergleichenden Listenpreise durch das Berufungsgericht.

Auf die von der Beklagten erhobene Einrede der relativen Unverhältnismäßigkeit komme es nur an, wenn nach den aufgezeigten Grundsätzen eine Beschaffungspflicht der Beklagten hinsichtlich des Nachfolgemodells besteht. Bezüglich dieser Einrede hat der BGH klargestellt, dass der Verkäufer eine vom Käufer verlangte Nachlieferung wegen im Vergleich zur Nachbesserung unverhältnismäßiger Kosten nur dann verweigern kann, wenn der betreffende Mangel durch die von ihm angebotene Nachbesserung vollständig, nachhaltig und fachgerecht beseitigt würde. Daran fehle es aber, falls zwar der ursprüngliche Mangel beseitigt wird, hierdurch jedoch Folgemängel hervorgerufen werden.

Vorliegend sei zwar unstreitig, dass das dem Kläger angebotene Software-Update die Prüfstanderkennungssoftware entfernen und damit den bei Übergabe vorhandenen Sachmangel beseitigen würde. Allerdings habe der Kläger im Rahmen seiner insoweit lediglich sekundären Darlegungslast hinreichend konkret auf – seiner Auffassung nach – durch das Update verursachte Folgemängel und einen unabhängig hiervon am Fahrzeug infolge der Betroffenheit vom so genannten Abgasskandal verbleibenden merkantilen Minderwert verwiesen. Insbesondere habe sich der Kläger dabei auch auf nur vermutete Tatsachen stützen dürfen. Denn er könne mangels eigener Sachkunde und hinreichenden Einblicks in die Funktionsweise des Software-Updates keine genaue Kenntnis von dessen konkreten Auswirkungen haben.

Ausgehend von der primären Darlegungslast und der Beweislast der Beklagten im Rahmen der von ihr erhobenen Unverhältnismäßigkeitseinrede sei es deshalb ihre Aufgabe, diese vom Kläger hinreichend konkret behaupteten Umstände, gegebenenfalls unter Einholung von zu diesem Zweck angebotener Sachverständigengutachten, auszuräumen. Dies gilt laut BGH nicht zuletzt für die Behauptung des Klägers, mit dem Software-Update werde erneut eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt einer temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführung (so genanntes Thermofenster) implementiert, der die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts entgegenhält, dieses Vorgehen sei zum Schutz von Bauteilen erforderlich.

Nach alledem hat der BGH das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.12.2021, VIII ZR 190/19

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