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Dieselfälle: Zur Verjährung bei Anmeldung zum Klageregister einer Musterfeststellungsklage

01.02.2022

Die Hemmungswirkung nach § 204 Absatz 1 Nr. 1a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im Fall eines wirksam angemeldeten Anspruchs tritt grundsätzlich bereits mit Erhebung der Musterfeststellungsklage und nicht erst mit wirksamer Anmeldung des Anspruchs zur Eintragung in deren Register ein, auch wenn die Anspruchsanmeldung selbst erst nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist erfolgt. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Dieselfall im Zusammenhang mit der Verjährung eines Schadenersatzanspruchs eines Fahrzeugkäufers gegen die Volkswagen AG entschieden.

Der Kläger erwarb 2011 für 22.607 Euro bei einer Kfz-Händlerin ein von der Beklagten hergestelltes Neufahrzeug VW Golf VI 2.0 TDI. In dem mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 (EU 5) ausgestatteten Fahrzeug war eine Motorsteuerungssoftware verbaut, durch die auf dem Prüfstand bessere Stickoxidwerte erzielt wurden als im realen Fahrbetrieb. Mit seiner im Oktober 2019 eingegangenen Klage hat der Kläger die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung sowie die Zahlung von Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Der Kläger behauptet, er habe sich im Dezember 2018 zur Musterfeststellungsklage an- und im September 2019 wieder abgemeldet.

Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben, das Oberlandesgericht (OLG) hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Einem Anspruch des Klägers auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung stehe die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede entgegen. Es sei keine Hemmung der Verjährung vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist erfolgt, die nach § 199 Absatz 1 Nr. 2 BGB mit dem Schluss des Jahres 2015 in Gang gesetzt worden sei. Die rechtzeitige Anmeldung zum Klageregister der Musterfeststellungsklage noch in 2018 habe der Kläger nicht bewiesen. Eine Anmeldung zum Register erst nach Ablauf der Verjährungsfrist wirke nicht auf den Zeitpunkt der Erhebung der Musterfeststellungsklage zurück. Mit der vom OLG zugelassenen Revision hat der Kläger sein Klagebegehren weiterverfolgt.

Der BGH hat das Urteil des OLG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Mit der vom OLG gegebenen Begründung könne die Klage nicht wegen Verjährung abgewiesen werden. Allerdings habe die Beklagte, wie das OLG rechtsfehlerfrei angenommen habe, die von ihr erstinstanzlich erhobene Einrede der Verjährung in der Berufungsinstanz nicht wiederholen müssen, so der BGH. Für die Annahme eines diesbezüglich unterlassenen Berufungsangriffs oder gar eines Verzichts der Beklagten auf diese Einrede sei kein Raum. Abgesehen davon, dass das OLG unangegriffen festgestellt habe, die Beklagte habe zur Begründung ihrer Berufung auch die Verjährung eines etwa bestehenden Anspruchs vorgebracht, gelange nach der BGH-Rechtsprechung mit der zulässigen Berufung grundsätzlich auch die erstinstanzlich erhobene Verjährungseinrede ohne Wiederholung in der Berufungsbegründung in die Berufungsinstanz.

Die Revision habe aber erfolgreich die Annahme des OLG beanstandet, die Verjährung der Klageforderung sei mit dem Schluss des Jahres 2018 – und daher vor der 2019 erfolgten Klageeinreichung – eingetreten. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen könne die Hemmung der Verjährung durch Anspruchsanmeldung zum Klageregister der gegen die Beklagte geführte Musterfeststellungsklage im Jahr 2018 nicht verneint werden, so der BGH. Für die Entscheidung des BGH habe daher dahinstehen können, ob die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres 2015 zu laufen begonnen hat.

Die Hemmungswirkung nach § 204 Absatz 1 Nr. 1a BGB im Fall eines wirksam angemeldeten Anspruchs trete, wie der BGH nach Erlass des Berufungsurteils entschieden habe, grundsätzlich bereits mit Erhebung der Musterfeststellungsklage und nicht erst mit wirksamer Anmeldung des Anspruchs zur Eintragung in deren Register ein, auch wenn die Anspruchsanmeldung selbst erst nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist erfolgt (Urteil vom 29.07.2021, VI ZR 1118/20).

Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Klägervortrag sei vor Ablauf des Jahres 2018 eine Musterfeststellungsklage gegen die Beklagte erhoben worden, habe der Kläger die streitgegenständlichen Ansprüche jedenfalls ab Beginn 2019 wirksam zur Eintragung im entsprechenden Klageregister angemeldet und liege den Ansprüchen derselbe Lebenssachverhalt zugrunde wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage. Unter diesen Voraussetzungen sei die Erhebung der Musterfeststellungsklage gemäß § 204 Absatz 1 Nr. 1a BGB grundsätzlich geeignet gewesen, die Verjährung der klägerischen Ansprüche zu hemmen, und zwar auch dann, wenn – wie vom Berufungsgericht angenommen – eine Anmeldung zum Klageregister noch im Jahr 2018 nicht bewiesen ist. Der Kläger habe nach Rücknahme der Anmeldung zudem auf der Grundlage einer von ihm zweitinstanzlich vorgelegten Urkunde innerhalb der Sechs-Monats-Frist des § 204 Absatz 2 Satz 2 BGB die vorliegende Individualklage erhoben.

Dem Kläger sei es nicht verwehrt, sich auf die Hemmung der Verjährung zu berufen. Der Hemmungstatbestand des § 204 Absatz 1 Nr. 1a BGB finde grundsätzlich auch dann Anwendung, wenn der Gläubiger seine Anmeldung zum Klageregister im weiteren Verlauf des Musterfeststellungsverfahrens wieder zurücknimmt, um im Anschluss Individualklage zu erheben. Der Gesetzgeber habe dem Gläubiger bewusst die Möglichkeit der Abmeldung vom Klageregister bis zu dem in § 608 Absatz 3 Zivilprozessordnung geregelten Zeitpunkt und der anschließenden Geltendmachung der Ansprüche im Wege der Individualklage eingeräumt und für diesen Fall eine spezifische Regelung über eine nachlaufende sechsmonatige Verjährungshemmung getroffen (§ 204 Absatz 2 Satz 2 BGB). Nutzt der Gläubiger diese ihm ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit der Anmeldungsrücknahme, handele es sich daher grundsätzlich um einen einfachen Rechtsgebrauch und nicht um einen Rechtsmissbrauch (BGH, Urteil vom 29.07.2021, VI ZR 1118/20 Rn. 39 ff.; Urteil vom 19.10.2021, VI ZR 189/20 Rn. 16). Die Umstände des Streitfalles gaben laut BGH keinen Anlass, hiervon abzuweichen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.01.2022, VII ZR 303/20

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