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Corona-Infektion: Kann Arbeitsunfall sein – muss aber nicht

09.03.2023

Eine Corona-Infektion kann als Arbeitsunfall zu werten sein. Voraussetzung dafür ist, dass die Ansteckung bei der beruflichen Tätigkeit erfolgte. Kann dies nicht geklärt werden, weil auch eine Ansteckung im privaten Bereich in Betracht kommt, so kann kein Arbeitsunfall festgestellt werden, wie ein vom Sozialgericht (SG) Speyer entschiedener Fall zeigt. Das Gericht schloss ein Beweislastumkehr zugunsten des Versicherten aus.

Ein Angestellter des Rechnungshofes Rheinland-Pfalz war im April 2021 an Corona erkrankt. Tage zuvor war eine Kollegin positiv auf das Covid-19-Virus getestet worden. Beide hatten an ihrem Präsenztag eine kurze Unterhaltung geführt. Außerdem befanden sich ihre Büros im Flur einander gegenüberliegend.

Das SG hat entschieden, dass dem Angestellten kein Anspruch auf Feststellung der Covid-19-Infektion als Arbeitsunfall zusteht. Zwar könne eine Corona-Infektion grundsätzlich einen Arbeitsunfall darstellen. Es fehle hier aber die haftungsbegründende Unfallkausalität.

Zwar spreche für eine Infektion am Arbeitsplatz die zeitliche Abfolge der Nachweise der Infektionen. Auch sei das Covid-19-Virus leicht von Mensch zu Mensch übertragbar.

Gegen eine Infektion am Arbeitsplatz spreche jedoch, dass ein unmittelbarer Kontakt mit der erkrankten Kollegin auf eine wenige Minuten dauernde Unterhaltung beschränkt war, die Kollegin eine OP-Maske trug und ein Abstand von mehr als 1,5 Metern eingehalten wurde. Eine indirekte Infektion durch in der Luft befindliche Aerosole aufgrund eines Luftaustausches zwischen den Büros hält das SG für unwahrscheinlich. Zwar könnten sich Aerosole vor allem auch in Innenräumen über die Zeit akkumulieren. Enthielten diese Aerosole virale Partikel, sei auch eine Ansteckung über größere Distanzen möglich.

Die Büroräume seien hier allerdings nur durch zwei Türen über einen zwei Meter breiten Flur verbunden; ein gekipptes Bürofenster habe für frische Luft gesorgt. Der Covid-19 Risikorechner für Aerosolübertragung und Ansteckungsgefahr in Innenbereichen des Max-Planck-Institutes für Chemie (https://www.mpic.de/4747361/risk-calculator) sei nicht anwendbar. Wegen Unsicherheiten und Variabilität bei den Modellannahmen gölten die berechneten Ergebnisse grundsätzlich nur für die im jeweiligen Modell vorausgesetzten idealisierten Szenarien und nicht für konkrete Einzelfälle.

Demgegenüber sei – auch bei gewissenhafter Vorsicht – eine Ansteckung im privaten Bereich möglich. Auch im Freien (Treffen mit den Nachbarn im Garten) könne es zu einer Übertragung des Covid-19-Virus durch Tröpfchen kommen. Zu bedenken sei auch, dass ein negatives Testergebnis die Möglichkeit einer Infektion mit Covid-19 nicht vollständig ausschließt, da die Tests nicht in jedem Stadium der Infektion verlässlich anschlagen.

Das SG sieht keine Veranlassung in Fällen wie dem vorliegenden, in denen eine Infektion praktisch jederzeit und überall erfolgt sein kann – die Inzidenz lag zum damaligen Zeitpunkt in Speyer bei weit über 100 –, eine quasi Beweislastumkehr zugunsten der Versicherten für die gesetzliche Unfallversicherung zu begründen. Der Gesetzgeber habe der bestehenden Beweisproblematik bezogen auf Infektionskrankheiten mit der Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV, die grundsätzlich auch die Erkrankung an Covid-19 erfasst, Rechnung getragen. Zum anderen solle der Versicherungsträger nur für Schadensereignisse einstehen müssen, die einem Nachweis zugänglich sind. Eine Beweislastumkehr aus reinen Billigkeits- und/oder Gerechtigkeitsgründen komme ohnehin nicht in Betracht.

Sozialgericht Speyer, Urteil vom 07.02.2023, S 12 U 188/21, nicht rechtskräftig

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