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Bei Insolvenz des Abrechnungsdienstleisters: Keine Umsatzsteuerberichtigung einer Apotheke

04.01.2023

Zahlt der Leistungsempfänger (Krankenkasse) mit Einwilligung des Leistenden (Apotheke) den Kaufpreis an einen Dritten (Abrechnungsdienstleister), bewirkt die Insolvenz des Abrechnungsdienstleisters keine umsatzsteuerliche Uneinbringlichkeit. Die Apotheke habe ihr Entgelt bereits in dem Augenblick vereinnahmt, in dem die Krankenkassen an das Abrechnungszentrum zahlen, so das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg.

Der Kläger betrieb als selbstständiger Unternehmer eine Apotheke und lieferte an gesetzliche Krankenkassen Arznei- oder Heilmittel, die die Versicherten als Sachleistungen erhielten. Er meldete die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten an. Mit privatrechtlichem Vertrag beauftragte der Apotheker ein Rechenzentrum in der Rechtsform einer GmbH für die Abrechnung mit den Krankenkassen und trat seine Zahlungsansprüche an dieses Unternehmen ab. Die GmbH gewährte ihm Vorschüsse auf die Forderungsbeträge. Sie wurde später mit einer anderen GmbH verschmolzen, die das Geschäft fortführte. Die GmbH traten gegenüber den Krankenkassen und bei den Abrechnungen erkennbar für Rechnung des Klägers auf. Sie vereinnahmten auch für Rechnung des Klägers diejenigen Geldbeträge, die die Krankenkassen für die Arzneimittellieferungen des Klägers schuldeten und bezahlten.

Im Jahr 2020 wurde das Insolvenzverfahren über die übernehmende GmbH eröffnet. Damit blieben Zahlungen für vom Kläger ausgeführte Medikamentenlieferungen aus. In ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen für August und September 2020 berücksichtigte GmbH die noch offenen "Restzahlung(en)" abzüglich der hierauf entfallenden Umsatzsteuer. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, mit dem er auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH hinwies, sodann vortrug, dass er seine Ansprüche gegen die Krankenkassen an die GmbH abgetreten habe, und schließlich vorbrachte, die Restzahlungen für August und September 2020 seien im Sinne von § 17 Absatz 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) uneinbringlich geworden. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Die Lieferung von Arznei-, Verband-, Heil- oder Hilfsmitteln, die der Kläger an die Krankenkassen im Sinne des § 4 Sozialgesetzbuch (SGB) V ausgeführt habe, unterlägen nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 UStG der Umsatzsteuer. Leistungsempfänger im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 UStG seien die Krankenkassen, die damit nach Artikel 90 Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie als Endverbraucher der Lieferungen anzusehen wären, nicht jedoch die GmbH oder die gesetzlich Versicherten selbst. Dies folge insbesondere aus § 2 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 27 Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V. Nach diesen Vorschriften stellten die Krankenkassen den Versicherten etwa – wie im Streitfall – Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln zur Verfügung. Die Versicherten erhielten diese Leistungen grundsätzlich als Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Absatz 2 Satz 1 SGB V).

Die Umsatzsteuer sei im Streitfall auch entstanden, soweit die GmbH dem Kläger noch die Weiterleitung des Kaufpreises schulde, den dieser für seine Lieferungen an die Krankenkassen zu beanspruchen habe. Zum einen habe er die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten berechnet. Zum anderen habe er die entsprechenden Lieferungen an die Krankenkassen bereits ausgeführt. Damit sei die Umsatzsteuer auch insoweit bereits mit Ablauf des jeweiligen Voranmeldungszeitraums entstanden (vgl. § 13 Absatz 1 Nr. 1a UStG).

Damit seien auch die Beträge zu Recht in die Bemessungsgrundlage der streitigen Umsatzsteuer einbezogen worden, die die GmbH dem Kläger noch schulde. Die Höhe des Entgelts richte sich nach dem zwischen Leistendem – hier: dem Kläger – und Leistungsempfänger – hier: den Krankenkassen – bestehenden Rechtsverhältnis, aus dem sich der für die Steuerbarkeit der Leistung maßgebliche unmittelbare Zusammenhang zwischen der Leistung und dem erhaltenen Gegenwert ergebe. Damit sei im Streitfall der Kaufpreis abzüglich der in diesem enthaltenen Umsatzsteuer der Bemessungsgrundlage hinzuzuschlagen.

Ohne Einfluss hierauf sei der Umstand, dass der Kläger seine Forderungen an die GmbH abgetreten habe. Denn die GmbH sei an dem Austauschverhältnis zwischen dem Kläger und den Krankenkassen weder als Leistende noch als Leistungsempfängerin beteiligt. Insbesondere sei im Streitfall gerade nicht vereinbart, dass die GmbH für die Lieferung – (dann wohl) zulasten des Klägers – ein Entgelt erhalten sollte. Vielmehr sei im Streitfall zwischen dem Kläger und der GmbH ein eigenständiges Austauschverhältnis vereinbart worden, bei dem die GmbH die Abrechnung mit den Krankenkassen vornehmen und die Forderungen folgerichtig für Rechnung des Klägers einziehen, mithin eine so genannte Inkasso-Leistung, und der Kläger hierfür ein Entgelt entrichten sollte.

Im Streitfall sei das Entgelt, das der Kläger für August und September 2020 zu beanspruchen hatte, nicht im Sinne von § 17 Absatz 2 Nr. 1 Satz 1 UStG uneinbringlich geworden, sondern mit den Zahlungen, die die Krankenkassen an die GmbH bewirkten, von dem Kläger vereinnahmt worden, denn die Leistungsverhältnisse zwischen dem Kläger und den Krankenkassen einerseits und der GmbH andererseits seien getrennt zu betrachten. Die Krankenkassen hätten die von ihnen geschuldeten Zahlungen auf den Kaufpreis tatsächlich bewirkt, und zwar ganz offenkundig mit Einwilligung des Klägers. Mit diesen Zahlungen sei der Anspruch des Klägers auf den Kaufpreis jeweils erloschen. Mithin habe er sein Entgelt bereits in dem Augenblick vereinnahmt, in dem die Krankenkassen auf dessen Rechnung an die GmbH gezahlt hätten.

Gegen das Urteil des FG wurde beim Bundesfinanzhof Revision eingelegt (XI R 15/22).

Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2022, 1 K 2073/21, nicht rechtskräftig

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