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Bedarfsabfindung für Scheidungsfall: Keine freigebige Zuwendung
Regeln zukünftige Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung umfassend individuell und sehen sie für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen eines Ehepartners in einer bestimmten Höhe vor, die erst zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu leisten sind (so genannte Bedarfsabfindung), liegt keine freigebige Zuwendung vor. Dies stellt der Bundesfinanzhof (BFH) klar.
Der Steuer unterliege als Schenkung jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Der Erwerb eines zugewendeten Gegenstandes, auf den kein Rechtsanspruch besteht, sei unentgeltlich, wenn er nicht rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers, so der BFH. Dabei kämen als die Unentgeltlichkeit ausschließende und die Entgeltlichkeit begründende rechtliche Abhängigkeiten Verknüpfungen sowohl nach Art eines gegenseitigen Vertrags als auch durch Setzung einer Bedingung oder eines entsprechenden Rechtszwecks in Betracht.
Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestandes einer freigebigen Zuwendung bedürfe es des Bewusstseins des Zuwendenden, die Leistung ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung oder einem Gemeinschaftszweck zu erbringen. Der subjektive Tatbestand entfalle, wenn der Zuwendende seine Leistung – wenn auch irrtümlich – als entgeltlich ansieht. Für die zutreffende Vorstellung des Zuwendenden vom Begriff der (Un-)Entgeltlichkeit genüge es, wenn er dessen rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt laienhaft zutreffend erfasst.
Die Zahlung einer Pauschalabfindung unter Preisgabe eines (möglicherweise) künftig entstehenden Zugewinnausgleichanspruchs vor Eingehung der Ehe erfülle als freigebige Zuwendung den Tatbestand des § 7 Absatz 1 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG). Denn diese Zahlung werde weder zur Befriedigung eines (außervertraglichen) Forderungsrechts des Preisgebenden noch als Gegenleistung für einen Verzicht getätigt. Ein die Pauschalabfindung rechtfertigendes Forderungsrecht bestehe in diesen Fällen nicht. Denn die Zugewinnausgleichsforderung entsteht erst, wenn die Zugewinngemeinschaft endet.
Der Verzicht auf den möglicherweise künftig entstehenden Zugewinnausgleich gegen eine Pauschalabfindung erfülle zudem die Voraussetzungen des § 7 Absatz 3 ErbStG. Nach dieser Vorschrift würden Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können, bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht berücksichtigt. Vor Beginn der Ehe sei ungewiss, ob und wann die Ehe wieder geschieden oder die Zugewinngemeinschaft aus anderen Gründen beendet wird. Bis zur Entstehung des Anspruchs auf Zugewinnausgleich könnten sich zudem noch gravierende Veränderungen ergeben. Die Zugewinnausgleichsforderung könne in der Person des Zuwendungsempfängers entweder überhaupt nicht oder nicht in der im Zeitpunkt der Zuwendung erwarteten Höhe entstehen oder der Zuwendungsempfänger umgekehrt sogar selbst Schuldner einer Zugewinnausgleichsforderung werden.
Etwas anderes gilt laut BFH jedoch dann, wenn die zukünftigen Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung – abweichend von den gesetzlichen Leitbildern – umfassend individuell regeln und für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen eines Ehepartners an den anderen in einer bestimmten Höhe vorsehen, die erst zu diesem Zeitpunkt zu leisten sind ("Bedarfsabfindung").
Hier werde keine pauschale Abfindung ohne Gegenleistung erbracht. Es würden lediglich Rechte und Pflichten der künftigen Ehegatten durch umfangreiche Modifikation denkbarer gesetzlicher familienrechtlicher Ansprüche im Fall der Scheidung im Wege einer Pauschalierung neu austariert. Wird ein derartiger Vertrag abgeschlossen, der nach Art eines Gesamtpakets alle Scheidungsfolgen regelt, könne dieses Paket nicht in Einzelleistungen aufgeteilt und eine der Einzelleistungen der Schenkungsbesteuerung unterworfen werden. Damit würde der Umstand verkannt, dass ein solcher Vertrag einen umfassenden Ausgleich aller Interessengegensätze anstrebt und insofern keine der Einzelleistungen ohne Gegenleistung ist. Wird die Ehe dann tatsächlich, zum Beispiel durch Ehescheidung, beendet, erfolge die Zahlung des vorab vereinbarten Betrages in Erfüllung dieser Vereinbarung.
Auf eine solche Vereinbarung sei auch § 7 Absatz 3 ErbStG nicht anwendbar. Während bei Zahlung einer Pauschalabfindung zu Beginn der Ehe ein Zugewinnausgleichsanspruch in der Zukunft nur "möglicherweise" besteht, die Zahlungsverpflichtung damit ungewiss ist und nicht bewertet werden kann, sei bei der Bedarfsabfindung die Zahlung des Ausgleichsanspruchs beziehungsweise der Abfindung an die Beendigung der Ehe – zum Beispiel durch Ehescheidung – geknüpft. Der Zahlungsanspruch sei damit aufschiebend bedingt und erwachse erst mit Eintritt der betreffenden Bedingung zum Vollrecht. Allein der Umstand, dass die Eheleute es mittels eines solchen Vertrags vermeiden, die gegenseitigen Ansprüche auf diesen Zeitpunkt bewerten zu müssen, bedeute nicht, dass diese Bewertung nicht grundsätzlich möglich wäre.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.09.2021, II R 40/19