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Baden-Württemberg: 2G-Regelung für Studierende ab vorläufig außer Vollzug
An Baden-Württembergs Hochschulen wird die 2G-Regelung ab dem 24.01.2022 nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) des Landes vorläufig nicht mehr vollzogen. Der VGH erachtet das "Einfrieren der Alarmstufe II" durch die Corona-Verordnung der Landesregierung, das für nicht-immunisierte Studierende zum weitgehenden Ausschluss von Präsenzveranstaltungen führe, für "voraussichtlich rechtswidrig". Er hat deswegen die zugrunde liegende Regelung des § 2 Absatz 5 der Corona-Verordnung Studienbetrieb des Wissenschaftsministeriums mit Ablauf des 23.01.2022 außer Vollzug gesetzt.
Nach dieser Vorschrift vom 11.01.2022 sind nicht-immunisierte Studierende in der Alarmstufe II – mit Ausnahme von Praxisveranstaltungen, Prüfungen und dem musikalischen und künstlerischen Lehrbetrieb – von Präsenzveranstaltungen ausgeschlossen. Die Hochschulen müssen für sie die Studierbarkeit der Studiengänge sicherstellen. In der Vorschrift ist ausdrücklich vorgesehen, dass das so genannte Einfrieren der Alarmstufe II durch § 1 Absatz 2 Satz 2 der CoronaVO der Landesregierung auch für den Studienbetrieb gilt.
Der Antragsteller, der nicht gegen COVID-19 geimpft ist und Pharmazie an einer Hochschule im Baden-Württemberg studiert, sieht sich durch § 2 Absatz 5 CoronaVO Studienbetrieb in seinem Recht auf Ausbildungsfreiheit verletzt und wendet sich auch gegen das "Einfrieren der Alarmstufe II".
Die Landesregierung (Antragsgegner) tritt dem entgegen. § 2 Absatz 5 CoronaVO Studienbetrieb sei rechtmäßig. Durch die Ausbreitung der hochansteckenden Omikron-Variante stiegen derzeit die Infektionszahlen mit dem SARS-CoV-2-Virus trotz der bestehenden Schutzmaßnahmen stark an. Durch den Anstieg der Anzahl an Neuinfektionen, aber auch durch den Anstieg an COVID-19-Erkrankungen beim medizinischen Personal komme es zunehmend zu einer Gefährdung der öffentlichen Gesundheitsversorgung. Daher sei das "Einfrieren der Alarmstufe II" rechtmäßig.
Der VGH hat § 2 Absatz 5 CoronaVO Studienbetrieb in der Fassung vom 11.01.2022 mit Ablauf des 23.01.2022 außer Vollzug gesetzt. Soweit die Vorschrift für die inzidenzunabhängige Alarmstufe II im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 2 CoronaVO ("eingefrorene Alarmstufe II") Geltung beanspruche, sei sie voraussichtlich rechtswidrig. Eine Vorschrift, die ausdrücklich "unabhängig" von der Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz weitreichende Zugangsbeschränkungen für nicht-immunisierte Personen normiere, stehe mit den gesetzlichen Vorgaben aus § 28a Absatz 3 Satz 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) nicht in Einklang. Erhebliche Grundrechtsbeschränkungen könnten nicht abgekoppelt von der Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz angeordnet werden.
Die Beschränkung des Zugangs zu Präsenzveranstaltungen für Studierende sei keine Maßnahme des präventiven Infektionsschutzes nach § 28a Absatz 3 Satz 2 IfSG. Der Gesetzgeber sei ausdrücklich davon ausgegangen, dass zu den Maßnahmen des präventiven Infektionsschutzes nach § 28a Absatz 3 Satz 2 IfSG nur "niederschwellige" Maßnahmen gehörten. Eine Vorschrift, die nicht-immunisierte Studierende durch eine 2G-Regelung vom Zutritt zu universitären Veranstaltungen in weitem Umfang ausschließe, begründe hingegen einen gravierenden Eingriff in das Grundrecht der Betroffenen auf Berufsausbildungsfreiheit aus Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz.
Der Einordnung als "weitergehende Schutzmaßnahme" im Sinne von § 28a Absatz 3 Satz 3 IfSG – und nicht lediglich als "Maßnahme zum präventiven Infektionsschutz" im Sinne von § 28a Absatz 3 Satz 2 IfSG – stehe auch nicht entgegen, dass der Bundesgesetzgeber in § 28a Absatz 3 Satz 2 IfSG auf § 28a Absatz 1 Nr. 2a IfSG verweise, der die "Verpflichtung zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises" ermögliche. Denn dieser Verweis beziehe sich lediglich auf die Pflicht zur Nachweisvorlage, nicht aber zu der davon zu unterscheidenden, wesentlich eingriffsintensiveren Maßnahme "an die Vorlage solcher Nachweise anknüpfende Beschränkungen des Zugangs", die auch der Bundesgesetzgeber in § 28a Absatz 7 Satz 1 Nr. 4 IfSG differenziert betrachte und der er offensichtlich ein schwerwiegenderes Gewicht beimesse.
Es handele sich daher um eine weitergehende Schutzmaßnahme nach § 28a Absatz 3 Satz 3 IfSG. Der Gesetzgeber gebe in § 28a Absatz 3 Satz 4 IfSG ausdrücklich vor, dass wesentlicher Maßstab für solche weitergehenden Schutzmaßnahmen insbesondere die Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz sei. Mit dieser Vorgabe sei § 2 Absatz 5 Satz 1 CoronaVO Studienbetrieb nicht vereinbar, soweit er auf § 1 Absatz 2 Satz 2 CoronaVO verweise. Denn eine Verordnungsregelung, die erklärtermaßen "unabhängig" von der Sieben-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz Geltung beanspruche, sich also von der Entwicklung dieser Inzidenz abkoppele, sei mit der Vorgabe in § 28a Absatz 3 Satz 4 IfSG, dass die Inzidenz der wesentliche Maßstab "ist", nicht in Einklang zu bringen.
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.01.2022, 1 S 3846/21, unanfechtbar