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"Bad Bank" der WestLB: Haftet für Steuerschulden aus Cum-Ex-Geschäften

30.09.2021

Das Landgericht (LG) Frankfurt am Main hat einer Klage der Nachfolgerin der WestLB gegen die Abwicklungsanstalt dieser Bank auf Übernahme von Steuerschulden von rund einer Milliarde Euro aus so genannten Cum-Ex-Geschäften stattgegeben.

Beide Parteien sind aus der WestLB hervorgegangen, nachdem diese infolge der Finanzkrise 2007 und 2008 in Schieflage geraten und ab 2012 abgewickelt worden war. Die Klägerin ist die verbliebene Restgesellschaft. Sie ist in alleiniger Hand des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Beklagte ist eine Abwicklungsanstalt innerhalb der Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung, die dem Bundesfinanzministerium unterstellt ist (so genannte Bad Bank). An ihr sind die vormaligen Aktionäre der WestLB, unter anderem das Land Nordrhein-Westfalen, der Sparkassenverband Westfalen-Lippe und der Rheinische Sparkassen- und Giroverband, beteiligt. Zunächst sollte die beklagte Abwicklungsanstalt ausgewählte toxische Portfolioteile der WestLB übernehmen und später im Rahmen der Abwicklung der Bank weitere Risikopositionen sowie nichtstrategienotwendige Unternehmensbereiche, unter anderem das Kapitalmarktgeschäft.

2016 wurden Ermittlungsverfahren gegen ehemalige Vorstände der WestLB wegen Aktiengeschäften um den jeweiligen Dividendenstichtag eingeleitet (so genannte Cum-Ex-Geschäfte). Ziel war die Klärung, ob in den Veranlagungszeiträumen 2005 bis 2011 Kapitalertragssteuer auf Dividendenzahlungen zu Unrecht auf eine Körperschaftssteuerschuld der WestLB angerechnet worden war. Mit mehreren Bescheiden aus 2019 und 2020 forderte das Finanzamt von der Klägerin die Rückerstattung erstatteter Kapitalertragssteuer nebst Solidaritätszuschlag und Zinsen für die Jahre 2005 bis 2008 in Höhe von rund einer Milliarde Euro. Eine Nachberechnung der Kapitalertragssteuer für die Jahre 2009 bis 2011 wird noch geprüft.

Das LG Frankfurt am Main hat jetzt entschieden, dass die beklagte Abwicklungsanstalt für diese Steuerschulden einzustehen habe. Zwar seien die betreffenden Steuerverbindlichkeiten im Rahmen der Abwicklung der WestLB nicht ausdrücklich der Beklagten zugewiesen worden. "Eine Auslegung der Vertragswerke und der Erklärungen der Parteien ergibt aber, dass die Übernahme der streitigen steuerlichen Risikopositionen durch die Beklagte gewollt war", erläuterte die Vorsitzende in der Urteilsbegründung. Obwohl den Beteiligten bewusst gewesen sei, dass es bekannte und unbekannte Steuerverbindlichkeiten gab, hätten sie keine Bewertung und Regelung aller steuerlichen Risiken vorgenommen. Die Beklagte sollte aber nach der ausdrücklichen allgemeinen Regelung im Vertragswerk Risikopositionen dann übernehmen, wenn sie einem nichtstrategienotwendigen Unternehmensbereich zuzuordnen waren. Das Kapitalmarktgeschäft sei nicht strategienotwendig für die WestLB gewesen und die Cum-Ex-Geschäfte als Grundlage der Steuerforderungen seien unzweifelhaft dem Kapitalmarktgeschäft anzusiedeln.

Die beklagte Abwicklungsanstalt könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Klägerin im Jahr 2012 bei der Zerschlagung der WestLB nicht über die Cum-Ex-Geschäfte der Vergangenheit aufgeklärt habe. Denn auch wenn die Klägerin ihre Aufklärungspflichten verletzt habe, sei ein Schaden der Beklagten nicht feststellbar. "Da die Zerschlagung der WestLB alternativlos war, wären die steuerlichen Risiken aller Voraussicht nach auch dann auf die Beklagte übertragen worden, wenn über die Cum-Ex-Geschäfte gesprochen worden wäre", so die Vorsitzende der Kammer. "Außerdem waren die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft seinerzeit noch nicht bekannt und die seit Jahren von verschiedenen Akteuren praktizierten Cum-Ex-Geschäfte wurden steuer- und strafrechtlich überwiegend nicht kritisch gesehen. Deswegen ist auch nicht davon auszugehen, dass die Beklagte einen größeren Eigenkapitalstock erhalten hätte, wenn die Cum-Ex-Geschäfte offengelegt worden wären", erklärte die Vorsitzende des LG.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main angefochten werden.

Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 29.09.2021, 2-27 O 328/20, nicht rechtskräftig

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