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Autofahrer: Gesteigerte Sorgfaltspflichten gegenüber Kindern

24.11.2020

Kommt es im unmittelbaren Bereich eines Zebrastreifens zu einer Kollision zwischen einem Auto und einem fahrradfahrenden Kind, so haftet die Autofahrerin oder der Autofahrer auch dann zu 100 Prozent, wenn das Kind schon vor Erreichen des Zebrastreifens in einem Bogen vom Gehweg auf die Straße fährt, um diese zu überqueren. Dies stellt das Amtsgericht Bad Iburg unter Verweis auf § 3 Absatz 2a der Straßenverkehrsordnung (StVO) klar.

Nach dieser Vorschrift muss sich ein Autofahrer gegenüber Kindern insbesondere durch Verminderung seiner Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft so verhalten, dass deren Gefährdung ausgeschlossen ist.

Die Klägerin befuhr mit ihrem Auto eine innerörtliche Hauptverkehrsstraße. In entgegengesetzter Fahrtrichtung kam ihr der achtjährige Sohn der Beklagten mit dem Fahrrad entgegen. Er war allein auf dem Gehweg unterwegs. In unmittelbarer Nähe eines Zebrastreifens fuhr das Kind auf die Straße, um sie zu überqueren. Dabei stieß es mit dem Fahrzeug der Klägerin zusammen. An dem Auto entstand ein Sachschaden. Diesen verlangte die Klägerin von der Mutter des Kindes ersetzt. Sie meint, die Mutter habe ihre Aufsichtspflicht verletzt, indem sie ihren Sohn an der Hauptverkehrsstraße allein mit dem Fahrrad habe fahren lassen.

Das AG Bad Iburg hat die Klage abgewiesen. Dabei hat es offengelassen, ob die Mutter des Kindes ihre Aufsichtspflicht verletzt hat: Der Verursachungsbeitrag der Autofahrerin (Klägerin) überwiege so stark, dass daneben für eine Haftung der Mutter kein Raum sei. Die Klägerin habe ihre Pflichten aus § 3 Absatz 2a StVO nicht erfüllt. Sie habe sich nicht so verhalten, dass eine Gefährdung des Kindes ausgeschlossen war. Der Unfall habe sich in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang mit einem Zebrastreifen ereignet. Der Achtjährige sei im Begriff gewesen, die Straße im Bereich des Zebrastreifens zu überqueren. Dass er hierzu – wie die Klägerin vorgetragen hat – schon 2,5 bis drei Meter vor dem Zebrastreifen ansetzte, sei unerheblich. Gerade bei Kindern sei es nicht unüblich, dass sie in einem Bogen (und nicht in einem 90 Grad-Winkel) auf den Zebrastreifen auffahren.

Im Übrigen sei es für die Klägerin erkennbar gewesen, dass es sich bei dem Sohn der Beklagten um ein jüngeres Kind handelte. Bei einem solchen müsse der Autofahrer Unsicherheiten mit einkalkulieren. Wegen des Zebrastreifens wäre die Klägerin verpflichtet gewesen, äußerst langsam mit ständiger Bremsbereitschaft an dem sich aus der Gegenrichtung nähernden Kind vorbei zu fahren.

Das Urteil sei rechtskräftig, so das AG. Das Landgericht (LG) Osnabrück habe die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (6 S 150/20). Nach Ansicht des LG scheide ein Schadenersatzanspruch gegen die Mutter des Kindes bereits deshalb aus, weil diese ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt habe. Ein achtjähriges Kind, das sein Fahrrad im Allgemeinen hinreichend sicher beherrsche, über Verkehrsregeln eindringlich unterrichtet worden sei und sich über eine gewisse Zeit im Verkehr bewährt habe, dürfe auch ohne eine Überwachung durch die aufsichtspflichtigen Eltern mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilnehmen, beispielsweise um zur Schule zu fahren oder einen sonst bekannten, geläufigen Weg zurückzulegen.

Amtsgericht Bad Iburg, PM vom 20.11.2020 zu 4 C 648/19

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