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Arzneimittelvertrieb über Internet-Plattform: BGH hat Fragen an EuGH

13.01.2023

Der Bundesgerichtshof (BGH) will vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wissen, ob ein Apotheker, der auf einer Internet-Verkaufsplattform Arzneimittel vertreibt, gegen die für Gesundheitsdaten geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen verstößt, und ob ein solcher Verstoß von einem anderen Apotheker mit einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann.

Im Verfahren I ZR 222/19 sind die Parteien Apotheker. Der Beklagte vertreibt seine Produkte über Amazon. Der Kläger rügt, der Vertrieb apothekenpflichtiger Arzneimittel über die Plattform verstoße gegen Vorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG), des Heilmittelwerbegesetzes (HWG), der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und der Berufsordnung für Apotheker sowie gegen datenschutzrechtliche Regelungen.

Das Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen. Es lägen keine Verstöße gegen Vorschriften des AMG, des HWG, der ApBetrO und der Berufsordnung für Apotheker vor. Im Hinblick auf Verstöße gegen Regelungen der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) sei der Kläger nicht klagebefugt. Die DS-GVO enthalte ein abschließendes Sanktionssystem, das den Wettbewerber nicht einschließe.

Das Oberlandesgericht (OLG) hat das Urteil des LG abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben. Es hat angenommen, die Regelungen der DS-GVO seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) anzusehen. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 DS-GVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung. Ein Verstoß gegen die weiteren vom Kläger angeführten Vorschriften scheide jedoch aus. Das OLG hat die Revision zugelassen, die beide Parteien eingelegt haben.

Auch im Verfahren I ZR 223/19 sind die Parteien Apotheker. Der Beklagte vertreibt seine Produkte ebenfalls über Amazon. Der Kläger rügt, der Beklagte habe für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogenen Daten im Rahmen des Bestellprozesses keine Einwilligung eingeholt. Der Beklagte meint, der Kläger sei nicht klagebefugt. Es liege auch keine Verarbeitung von Gesundheitsdaten vor. Zudem sei die Datenverarbeitung rechtmäßig.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Es hat das Datenschutzrecht als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG angesehen, weil es auch dem Schutz der Interessen der Mitbewerber diene. Die Veräußerung apothekenpflichtiger Produkte über die Plattform Amazon Marketplace verletze datenschutzrechtliche und berufsrechtliche Vorschriften.

Das OLG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Regelungen der DS-GVO seien in der konkreten Fallkonstellation als Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG anzusehen. Der Beklagte verarbeite im Rahmen der Bestellungen Gesundheitsdaten seiner Kunden im Sinne von Artikel 9 Absatz 1 DS-GVO. Hierfür fehle die im Streitfall erforderliche Einwilligung. Der Beklagte hat Revision eingelegt.

Der BGH hat beide Verfahren am 08.09.2020 bis zur Entscheidung des EuGH über sein Vorabentscheidungsersuchen vom 28.05.2020 (I ZR 186/17 - App-Zentrum) ausgesetzt. Mit diesem Ersuchen hatte der BGH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die in Kapitel VIII und insbesondere in Artikel 80 Absatz 1 und 2 sowie Artikel 84 Absatz 1 DS-GVO getroffenen Bestimmungen nationalen Regelungen entgegenstehen, die einerseits Mitbewerbern und andererseits nach dem nationalen Recht berechtigten Verbänden, Einrichtungen und Kammern die Befugnis einräumen, wegen Verstöße gegen die DS-GVO unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.

Der EuGH hat mit Urteil vom 28.04.2020 (C-319/20 – Meta Platforms Ireland) unter Hinweis darauf, dass das Ausgangsverfahren nicht die Frage der Klagebefugnis eines Mitbewerbers aufwerfe, nur den Teil der ihm vom BGH vorgelegten Frage beantwortet, der sich auf die Klagebefugnis der nach dem nationalen Recht berechtigten Verbände, Einrichtungen und Kammern im Sinne des Artikels 80 Absatz 2 DS-GVO bezieht.

Der BGH hat das Verfahren I ZR 223/19 ausgesetzt und den EuGH gefragt, ob die Regelungen in Kapitel VIII DS-GVO nationalen Regelungen entgegenstehen, die – neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen – Mitbewerbern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die DS-GVO gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken vorzugehen. Außerdem hat der BGH den EuGH gefragt, ob die Daten, die Kunden eines Apothekers, der auf einer Internet-Verkaufsplattform als Verkäufer auftritt, bei der Bestellung von zwar apotheken-, nicht aber verschreibungspflichtigen Medikamenten auf der Verkaufsplattform eingeben (Name des Kunden, Lieferadresse und die für die Individualisierung des bestellten apothekenpflichtigen Medikaments notwendigen Informationen), Gesundheitsdaten im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 DS-GVO sowie Daten über Gesundheit im Sinne des Artikels 8 Absatz 1 der Datenschutz-Richtlinie sind.

Das Verfahren I ZR 222/19 hat der BGH bis zur Entscheidung über sein Vorabentscheidungsersuchen in der Sache I ZR 223/19 ausgesetzt.

Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 12.01.2023, I ZR 222/19 und I ZR 223/19

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