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Arbeitnehmerüberlassung bei Auslandsbezug: Verletzung der Erlaubnispflicht führt nicht zu Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags

28.04.2022

Wird ein Leiharbeitnehmer aus dem Ausland unerlaubt im Sinne des § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz alter Fassung (AÜG aF) ins Inland überlassen, führt die Verletzung der Erlaubnispflicht nicht zur Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrags nach § 9 Nr. 1 AÜG aF, wenn das Leiharbeitsverhältnis dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union unterliegt. Die Voraussetzungen eines Arbeitgeberwechsels nach § 10 Absatz1 Satz 1 AÜG aF seien in diesem Fall nicht erfüllt, so das Bundesarbeitsgericht (BAG).

Die Klägerin ist französische Staatsangehörige wohnt in Frankreich. Sie wurde von einer Gesellschaft, die ihren Sitz in Frankreich hat, zum 01.10.2014 als Fachberaterin/Ingenieurin eingestellt. Das Arbeitsverhältnis unterliegt kraft Rechtswahl französischem Recht. Vom 01.10.2014 bis zum 30.04.2016 wurde die Klägerin von ihrer Arbeitgeberin, die nicht im Besitz einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG aF war, im Betrieb der Beklagten in Karlsruhe als Technikerin/Beraterin eingesetzt. Nachdem die Klägerin anschließend bei anderen Kunden der Arbeitgeberin tätig war, kündigte diese das Arbeitsverhältnis. In einem gerichtlichen Verfahren in Frankreich macht die Klägerin den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin festzustellen, dass sie zur Beklagten seit dem 01.10.2014 in einem Arbeitsverhältnis steht, und verlangt außerdem Differenz-, Überstunden- und Annahmeverzugsvergütung. Sie meint, zwischen den Parteien sei gemäß § 10 Absatz Satz 1 AÜG aF zum 01.10.2014 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Sie sei der Beklagten zur Arbeitsleistung überlassen worden. Der Arbeitsvertrag mit ihrer Arbeitgeberin sei, obwohl für das Arbeitsverhältnis französisches Recht gelte, in Deutschland infolge der unerlaubten Überlassung nach § 9 Nr. 1 AÜG aF unwirksam. Bei der Bestimmung handele es sich um eine Eingriffsnorm im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 der Rom-I-Verordnung, die unabhängig von der von den Arbeitsvertragsparteien getroffenen Rechtswahl gelte.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg. Die Feststellungs- und Zahlungsklage sei unbegründet, weil zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Die Voraussetzungen des § 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG aF seien nicht erfüllt, selbst wenn die Klägerin der Beklagten als Leiharbeitnehmerin überlassen worden sein sollte.

Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher kraft Gesetzes gemäß § 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG aF setze voraus, so das BAG, dass der zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer geschlossene Leiharbeitsvertrag infolge einer im Sinne von § 1 AÜG aF unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung nach § 9 Nr. 1 AÜG aF unwirksam ist. Unterliegt das Leiharbeitsverhältnis dem Recht eines anderen EU-Mitgliedstaats, ordneten weder § 2 Nr. 4 AEntG aF noch das AÜG an, dass § 9 Nr. 1 AÜG aF gegenüber diesem Recht vorrangig gelten soll.

Soweit § 2 Nr. 4 AEntG aF – in Umsetzung von Artikel 3 Absatz1 Buchst. d der Richtlinie 96/71/EG aF – regelt, dass die "Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen" zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinen im Inland beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zwingend anzuwenden sind, beziehe sich dies auf Rechts- und Verwaltungsvorschriften des nationalen Rechts, die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern regeln, sowie auf die im Inland geltenden gewerbe-, vermittlungs- und erlaubnisrechtlichen Voraussetzungen der Arbeitnehmerüberlassung. § 2 Nr. 4 AEntG aF ordnet laut BAG nicht die Geltung von Bestimmungen an, die – wie § 9 Nr. 1 und § 10 Absatz 1 Satz 1 AÜG aF – den Bestand des Leiharbeitsverhältnisses betreffen. § 9 Nr. 1 AÜG aF sei auch keine Eingriffsnorm im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 Rom-I-Verordnung. Das AÜG gewähre Leiharbeitnehmern, die von ihren Arbeitgebern aus einem anderen EU-Mitgliedstaat ins Inland überlassen werden, keinen Schutz, der über den hinausgehe, der durch § 2 Arbeitnehmer-Entsendegesetz aF gewährleistet wird. Das öffentliche Interesse an der Einhaltung von § 1 Absatz 1 Satz 1 AÜG aF werde gesichert, indem § 16 Absatz 1 Nr. 1 und Abs. 2 AÜG aF die Verletzung der Erlaubnispflicht als Ordnungswidrigkeit ahnden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.04.2022, 9 AZR 228/21

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