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All-inclusive auf Baustelle: Möglicherweise voller Reisepreis zurückzuerstatten

24.10.2025

Wird ein Pauschalreisevertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt,so kann dem Reisenden auch dann eine volle Erstattung des Reisepreises zustehen,wenn ihm bestimmte Leistungen erbracht wurden. Der Europäische Gerichtshof(EuGH) geht dann davon aus, wenn die mangelhafte Erbringung bestimmterReiseleistungen so schwerwiegend ist, dass die Pauschalreise zwecklos und fürden Reisenden nicht mehr von Interesse ist.

Zwei polnische Urlauber reisten für einenAll-inclusive-Aufenthalt in ein Fünfsternehotel nach Albanien. Am Tag nachihrer Ankunft wurden sie durch Lärm geweckt, der beim von den albanischenBehörden angeordneten Abriss der Schwimmbecken ihres Hotels entstand. DieseArbeiten dauerten vier Tage, jeweils von 7.30 Uhr bis 19.30 Uhr, und führtenzum vollständigen Abriss der Schwimmbecken, der Strandpromenade sowie desgepflasterten Abstiegs zum Meer. Die Urlauber mussten außerdem in langenSchlangen anstehen, um ihre Mahlzeiten zu erhalten, und zu Beginn derEssenszeiten zu den Mahlzeiten erscheinen, da die Zahl der verfügbarenMahlzeiten begrenzt war. Überdies entfiel das Snackangebot am Nachmittag.Schließlich wurde während der letzten drei Tage des Aufenthalts mit neuenBauarbeiten begonnen, um das Hotel um ein fünftes Stockwerk aufzustocken.

Die Reisenden forderten daraufhin vor einem polnischenGericht die volle Erstattung des Reisepreises sowie Schadensersatz. Das Gerichthat den EuGH um Klarzustellung ersucht, welche Rechte den Reisenden aus derPauschalreiserichtlinie zustehen.

Der EuGH stellt klar: Ein Reisender habe nicht nur dannAnspruch auf volle Erstattung des gezahlten Preises, wenn sämtlicheReiseleistungen nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht wurden, sondern auch,wenn trotz der Erbringung bestimmter Leistungen ihre mangelhafte Erbringung soschwerwiegend ist, dass die Pauschalreise zwecklos wird und für den Reisendenobjektiv nicht mehr von Interesse ist. Es sei Sache des nationalen Gerichts,unter Berücksichtigung aller Umstände zu beurteilen, ob dies der Fall sei.

In Bezug auf das Schadensersatzbegehren weist der EuGH daraufhin, dass die Richtlinie nur der Wiederherstellung des vertraglichenGleichgewichts zwischen den Reisenden und dem Reiseveranstalter dient – nicht aberdazu, den Reiseveranstalter zu sanktionieren, insbesondere durchStrafschadensersatz.

Der Reisende habe danach keinen Anspruch auf Schadensersatz,wenn der Reiseveranstalter nachweist, dass die Nichterbringung oder mangelhafteErbringung von Reiseleistungen einem Dritten zuzurechnen ist und wedervorhersehbar noch vermeidbar war. Gemäß der Richtlinie hänge diese Möglichkeit,sich der Haftung gegenüber einem Reisenden zu entziehen, nicht von einemetwaigen Verschulden dieses Dritten ab. Folglich stehe die Richtlinie dempolnischen Recht entgegen, das einen Nachweis dieses Verschuldens durch denReiseveranstalter verlangt.

Zur Frage, ob die Abrissarbeiten als "unvermeidbarer,außergewöhnlicher Umstand" betrachtet werden können, der denReiseveranstalter von seiner Schadensersatzpflicht befreit, weist der EuGHdarauf hin, dass diese Arbeiten auf einen Akt der öffentlichen Gewaltzurückzuführen sind. Solche Akte würden normalerweise in transparenter Weiseerlassen und ihre Umsetzung werde im Allgemeinen in irgendeiner Formangekündigt. Das nationale Gericht müsse also prüfen, ob der Reiseveranstalteroder der Betreiber der touristischen Infrastruktur über das Verfahreninformiert wurden, das zum Erlass der Entscheidung über den Abriss geführt hat,oder sie gar daran teilgenommen haben oder ob sie über den Inhalt derEntscheidung informiert wurden, bevor diese umgesetzt wurde.

War der Veranstalter oder der Betreiber informiert oderhaben sie am Verfahren teilgenommen, so könne der Abriss der in Rede stehendenInfrastruktur nicht als unvorhersehbar angesehen werden. Folglich könne derVeranstalter nicht von seiner Schadensersatzpflicht gegenüber den Reisendenbefreit werden.

Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 23.10.2025, C-469/24

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