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Abschiebungsschutz: Bei Existenzsicherung für absehbare Zeit nach Rückkehr ausgeschlossen

25.04.2022

Ist die Existenz eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatland auf absehbare Zeit gesichert, so scheidet ein Abschiebungsschutz in der Regel aus. Maßstab für die im Rahmen der Prüfung nationalen Abschiebungsschutzes anzustellende Gefahrenprognose sei grundsätzlich, ob der vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer nach seiner Rückkehr, gegebenenfalls durch ihm gewährte Rückkehrhilfen, in der Lage ist, seine elementarsten Bedürfnisse über einen absehbaren Zeitraum zu befriedigen, entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Nicht entscheidend sei hingegen, ob das Existenzminimum eines Ausländers in dessen Herkunftsland nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist.

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat die beklagte Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, in Bezug auf den Kläger, einen 1998 geborenen afghanischen Asylantragsteller, ein nationales Abschiebungsverbot in Bezug auf Afghanistan festzustellen. Aufgrund der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen infolge der COVID-19-Pandemie sei es auch leistungsfähigen, alleinstehenden erwachsenen Rückkehrern aus dem westlichen Ausland regelmäßig nur bei Vorliegen besonderer begünstigender Umstände möglich, in Afghanistan auf legalem Wege ihre elementarsten Bedürfnisse nach Nahrung, Unterkunft und Hygiene zu befriedigen. Die freiwilligen Rückkehrern gewährten finanziellen Hilfen hätten für die Frage der Existenzsicherung bei fehlendem Netzwerk keine nachhaltige Bedeutung, da sie bestenfalls eine anfängliche Unterstützung und vorübergehende Bedarfsdeckung ermöglichten.

Das BVerwG hat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den VGH zurückverwiesen. Der von diesem für die Gefahrenprognose zugrunde gelegte Maßstab, nach dem auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen eine "nachhaltige" und nicht nur vorübergehende Existenzsicherung erforderlich ist, stehe mit Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und mit dem Erfordernis einer "schnell" oder "alsbald" nach der Rückkehr eintretenden Gefahr nicht im Einklang.

Die Gefahr eines Artikel-3-EMRK-widrigen Zustands sei nicht schon dann gegeben, wenn zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der Rückkehr in das Heimatland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht. Sie müsse vielmehr in dem Sinne konkret sein, dass die drohende menschenrechtswidrige Beeinträchtigung in einem derart engen zeitlichen Zusammenhang zu der Rückkehr eintritt, dass bei wertender Betrachtung noch eine Zurechnung zu dieser – in Abgrenzung zu späteren Entwicklungen im Zielstaat oder Verhaltensweisen des Ausländers – gerechtfertigt ist.

Kann der Rückkehrer Hilfeleistungen in Anspruch nehmen, die eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen, so könne Abschiebungsschutz ausnahmsweise nur dann gewährt werden, wenn bereits zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt davon auszugehen ist, dass dem Ausländer nach dem Verbrauch der Rückkehrhilfen in einem engen zeitlichen Zusammenhang eine Verelendung mit hoher Wahrscheinlichkeit droht.

Laut BVerwG war der Rechtsstreit an den VGH zurückzuverweisen, um diesem Gelegenheit zu geben, die zu den vorstehenden Maßstäben unzureichende tatrichterliche Würdigung nachzuholen.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.04.2022, BVerwG 1 C 10.21

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