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Abschiebung: Wohnungsdurchsuchung um 4.30 Uhr in der Regel unzulässig

19.11.2020

Eine Ausländerbehörde ist nicht berechtigt, eine Wohnung um 4.30 Uhr morgens zu durchsuchen, um einen Ausländer zum Zweck seiner Abschiebung aufzufinden. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf entschieden.

Den auf die zuletzt neu eingefügten Vorschriften des § 58 Absatz 6 bis 8 des Aufenthaltsgesetzes gestützten Durchsuchungsantrag hat es schon deshalb abgelehnt, weil er nicht alle für die Entscheidung notwendigen Angaben enthalten habe. Insbesondere müsse für die zu ergreifenden Personen dargelegt sein, warum sie vollziehbar ausreisepflichtig sind und keine zwingenden Duldungsgründe vorliegen. Die Durchsuchung einer Wohnung sei auch nicht schon dann erforderlich, wenn eine dem Ausländer gesetzte Ausreisefrist abgelaufen sei. Erforderlich seien darüberhinausgehende Umstände, etwa die Erklärung, nicht freiwillig ausreisen zu wollen.

Auch dürfe die Wohnung im vorliegenden Fall nicht wie beantragt um 4.30 Uhr morgens durchsucht werden. Denn das Aufenthaltsgesetz lasse solche Vollstreckungsmaßnahmen zur Nachtzeit nur ausnahmsweise zu. Weil nach den heutigen Lebensgewohnheiten zumindest die Zeit zwischen 21.00 und 6.00 Uhr ganzjährig als Nachtzeit anzusehen sei, sei es auch von Verfassungs wegen geboten, dass sich der Schutz vor nächtlichen Wohnungsdurchsuchungen im Regelfall ganzjährig auch auf die Zeit von 4.00 bis 6.00 Uhr morgens erstrecke.

Soweit in § 104 Absatz 3 der Strafprozessordnung (StPO) zur Bestimmung der Nachtzeit noch zwischen Sommer- und Wintermonaten differenzierend in der Sommerzeit (01.04. bis 30.09.) die Nachtzeit auf den Zeitraum von 21.00 bis 4.00 Uhr bestimmt, sei diese Vorschrift nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.03.2019 (2 BvR 675/14) nicht mehr anzuwenden. Die seit dem 01.10.1879 unveränderte Regelung der Nachtzeit in der StPO gehe auf die zu diesem Zeitpunkt noch überwiegend agrarischen Lebensverhältnisse der Gesellschaft zurück. Sie sei insoweit nicht mehr zeitgemäß, als sie nicht berücksichtige, dass die Tageszeit heute für den weit überwiegenden Teil der Bevölkerung auch zwischen April und September nicht schon um 4.00 Uhr morgens beginne.

Die beantragte Durchsuchung der Wohnung zur Nachtzeit sei hier auch nicht ausnahmsweise zulässig, weil keine Tatsachen vorlägen, aus denen zu schließen sei, dass die Abschiebung anderenfalls vereitelt würde. Insbesondere könne sich die Behörde insoweit nicht auf den frühen Start des Abschiebeflugs berufen. Bloße Organisationserwägungen rechtfertigten nach Auffassung des VG kein nächtliches Betreten oder gar Durchsuchen von Wohnungen. Die Ausländerbehörde müsse umgekehrt Planungen der Abschiebewege und -mittel an den rechtlichen Vorgaben ausrichten.

Gegen den Beschluss kann Beschwerde eingelegt werden, über die das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entscheidet.

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 16.11.2020, 7 I 32/20, nicht rechtskräftig

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