Schutz des Bundesverfassungsgerichts: Bundesrat stimmt Grundgesetzänderung zu
Vermögenslosigkeit des Leistenden: "Reemtsma-Anspruch" des Unternehmers
Ab 01.03.2020 gewährte Corona-Sonderzahlungen: Steuerbefreiung rückwirkend anzuwenden
Das Finanzgericht (FG) Niedersachsen hatte sich – soweit ersichtlich erstmals – mit der Frage der Anwendbarkeit und Auslegung der mit dem Corona-Steuerhilfegesetz vom 19.06.2020 (BGBl. I 2020, 1385) eingeführten Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 11a Einkommensteuergesetz (EStG) auseinanderzusetzen. Zu klären waren insbesondere Fragen zur rückwirkenden Anwendbarkeit der gesetzlichen Regelung in § 3 Nr. 11a EStG, zur Auslegung des Merkmals "aufgrund der Corona-Krise" sowie zur Anwendbarkeit und Auslegung der mit dem Jahressteuergesetz 2020 in § 8 Absatz 4 EStG ebenfalls neu eingeführten Definition des Zusätzlichkeitskriteriums.
Die Klägerin betreibt mehrere Lebensmittelläden. Ihren Mitarbeitern zahlte sie im Mai und November 2020 als Corona-Sonderzahlung deklarierte Geldleistungen steuerfrei aus. Über die Sonderzahlungen informierte sie die Beschäftigten durch interne Aushänge. In diesen gab sie zugleich bekannt, dass sie, wie in den Vorjahren, im Monat Mai Urlaubsgeld beziehungsweise im Monat November einen Bonus als freiwillige Leistung gewähren werde. Die Lohnsteueraußenprüfung kam zu der Feststellung, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG für die in den Monaten Mai und November erbrachten Sonderzahlungen nicht erfüllt seien. Die Lohnsteuer nebst sonstiger Lohnsteuerabzugsbeträge wurde durch Nachforderungsbescheid festgesetzt.
Das FG Niedersachsen hat die gegen den Nachforderungsbescheid erhobene Klage als unbegründet abgewiesen. Es kommt zu dem Ergebnis, dass die Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 11a EStG zwar rückwirkend ab dem 01.03.2020 anwendbar ist, deren Voraussetzungen hier aber weder hinsichtlich der Mai- noch der Novemberzahlung vorlagen.
Zum einen habe die Klägerin die als Corona-Sonderzahlung deklarierten Leistungen nicht zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht. Aus den Gesamtumständen sei nicht ersichtlich gewesen, dass sie ihren Mitarbeitern die als "Sonderzahlung Corona" bezeichneten Leistungen im Mai und November 2020 zur Abmilderung der besonderen Belastungen durch die Corona-Krise ausgezahlt habe. Das FG berücksichtigte dabei die Angaben in den Verdienstabrechnungen, den Wortlaut der seitens der Klägerin ausgehängten internen Informationsschreiben, die Berechnungsmethode sowie die Auszahlungsmodalitäten der Sonderzahlungen.
Zum anderen sei das Zusätzlichkeitskriterium weder nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zur alten Rechtslage noch nach den Vorgaben des § 8 Absatz 4 EStG als erfüllt anzusehen. Die Corona-Sonderzahlung sei ersatzweise anstelle des Urlaubsgeldes beziehungsweise der Bonuszahlung gewährt worden. Der geschuldete Arbeitslohn sei durch diese herabgesetzt worden.
Das FG hat die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Diese wurde eingelegt und wird beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VI R 25/24 geführt.
Finanzgericht Niedersachsen, Urteil vom 24.07.2024, 9 K 196/22, nicht rechtskräftig