Mitglied werden
Suche
Vor Ort
Presse
Menü

Veränderung pro Sekunde

Staatsverschuldung Deutschland

Login
Menü schließen

Menü schließen

Sie sind hier:  Startseite  Aktuelles  Überzogene Krebsangst: Kein Schmerzensge...

Überzogene Krebsangst: Kein Schmerzensgeld bei Verunreinigung eines Medikaments

19.05.2023, https://onlineservice.addison.de/1748528759/urlapi/xml/aktuell/show/id/17214

Eine Frau hat nicht deswegen einen Anspruch auf Schmerzensgeld, weil sie seit Kenntnis der Verunreinigung eines Medikaments an der Angst leidet, an Krebs zu erkranken. Dies stellt das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main klar. Erhöhe die Einnahme eines verunreinigten Arzneimittels das Risiko, an Krebs zu erkranken, um 0,02 Prozent, sei es nicht generell geeignet, psychische Belastungen in Form von Ängsten und Albträumen zu verursachen.

Die Klägerin erhielt seit vielen Jahren blutdrucksenkende Arzneimittel mit dem Wirkstoff Valsartan. Die Beklagte stellt Medikamente mit diesem Wirkstoff her. 2018 rief die Beklagte alle Chargen mit diesem Wirkstoff zurück, da es beim Wirkstoff-Hersteller produktionsbedingt zu Verunreinigungen mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) gekommen war. NDMA ist von der Internationalen Agentur für Krebsforschung der WHO und der EU als "wahrscheinlich krebserregend" bei Menschen eingestuft worden. Nach dem Beurteilungsbericht der Europäischen Arzneimittelagentur ist das theoretisch erhöhte Lebenszeit-Krebsrisiko aufgrund möglicher Verunreinigungen mit NDMA bei täglicher Einnahme der Höchstdosis über einen Zeitraum von sechs Jahren um 0,02 Prozent erhöht. Das allgemeine Lebenszeitrisiko für Frauen, an Krebs zu erkranken, wird für Deutschland mit 43,5 Prozent angegeben.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schmerzensgeld von mindestens 21.500 Euro in Anspruch. Sie behauptet, seit Kenntnis des Rückrufs unter der psychischen Belastung, an Krebs zu erkranken, zu leiden.

Das Landgericht (LG) hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Klägerin habe bereits keine "erhebliche" Verletzung ihrer Gesundheit nachgewiesen, bestätigte das OLG die Entscheidung des LG. Der sich aus den Angaben der Klägerin ergebende Krankheitswert liege unterhalb der Erheblichkeitsschwelle. Die Klägerin berufe sich darauf, dass sie bereits das Wort "krebserregend" beunruhige. Tagsüber denke sie oft an die ungewisse gesundheitliche Zukunft; nachts plagten sie Albträume. Diese Schilderungen seien ungenau, pauschal und belegten keine behandlungsbedürftige Gesundheitsverletzung.

Die Haftung der Beklagten scheide auch aus, da die Gesundheitsbeeinträchtigung nicht "infolge" der Arzneimitteleinnahme aufgetreten sei. Das Arzneimittel selbst sei – auch nach dem Vortrag der Klägerin – nicht geeignet, die hier beklagten Gesundheitsbeeinträchtigungen in Form der Ängste und Albträume zu verursachen. Auslöser der psychischen Folgen sei vielmehr die Kenntnis von der Verunreinigung gewesen, wonach die Klägerin mit einem geringfügig erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Krebserkrankung rechnen müsse. Diese anzunehmende Risikoerhöhung verbleibe aber in einem Rahmen, "der nicht in relevanter Weise über dem allgemeinen Lebensrisiko liegt und damit generell bei objektiver Betrachtung nicht geeignet ist, die behaupteten psychischen und physischen Folgen auszulösen", begründet das OLG weiter. Die nur ganz geringfügige Erhöhung des Krebsrisikos durch die Verunreinigung des Arzneimittels gegenüber dem allgemeinen Risiko, an Krebs zu erkranken, sei nicht per se als Schaden zu werden, ebenso wie eine Verunreinigung des Arzneimittels an sich, die auch folgenlos bleiben könne. Die individuelle Risikoeinschätzung der Klägerin sei hier nicht objektiv nachvollziehbar.

Darüber hinaus lägen auch andere schadensverursachende Umstände vor. Die Klägerin habe selbst vorgetragen, dass ihre Ängste, an Krebs zu erkranken, dadurch verursacht würden, dass ihre Mutter, ihr Bruder und die Cousine an Krebs verstorben seien. "Überzogene Reaktionen auf die Nachricht, dass ein eingenommenes Medikament möglicherweise Verunreinigungen enthält, die möglicherweise krebserregend sind, können (...) der Beklagten nicht zugerechnet werden", schloss das OLG.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann die Zulassung der Revision begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 26.04.2023, 13 U 69/22, nicht rechtskräftig

Mit Freunden teilen
Die Schuldenuhr Deutschlands

Veränderung pro Sekunde

Staatsverschuldung Deutschland