Das Statement von Rik Steinheuer zum aktuellen Schwarzbuch
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Heute erscheint das 50. Schwarzbuch „Die öffentliche Verschwendung“. Wieder stellen wir 100 aktuelle Fälle vor, in denen der sorgsame Umgang mit dem Geld der Bürger auf der Strecke geblieben ist. Die Spanne reicht von erneuten Kostensteigerungen bei der Sanierung der Beethovenhalle in Bonn über extravagante Pläne für eine Marina in Monheim am Rhein bis hin zu einer neuen Feuerwache in Wegberg, für die die Politik die Pläne geändert hat – und damit auch die Kosten.
50 Jahre Schwarzbuch, das sind 50 Jahre Beitrag für mehr Transparenz über öffentliche Ausgaben. Das war von Anfang an das Ziel des Bundes der Steuerzahler. Als er 1949 gegründet wurde, waren die Haushaltspläne der Kommunen, Länder und des Bundes nicht öffentlich. Nicht zuletzt auf Druck des Bundes der Steuerzahler wurden den Bürgern die Pläne der öffentlichen Ausgaben zugänglich gemacht.
Bereits damals lenkten wir die Aufmerksamkeit auch auf die Verschwendung von Steuergeld. Dazu gab der Verband zunächst lose Blattsammlungen mit einzelnen Fallbeispielen heraus. 1973 veröffentlichte der BdSt dann das erste „Schwarzbuch“. Ziel war und ist, die Öffentlichkeit über das zu informieren, was sie angeht: die Verwendung öffentlicher Gelder, also über den Gebrauch ihres Geldes. Wir zeigen jedoch nicht nur die Einzelfälle, sondern machen auch auf die immer wiederkehrenden Muster der Fehlentscheidungen und der Verschwendung aufmerksam. Damit schaffen wir die Voraussetzung, dass es künftig besser gemacht werden kann – denn nur, wenn ein Problem erkannt ist, kann es auch gelöst werden. Wir setzen zudem einen Anreiz für die Verantwortlichen, stärker darauf zu achten, öffentliches Geld wirtschaftlich und sparsam einzusetzen, wenn sie damit rechnen müssen, sich öffentlich für ihr Handeln rechtfertigen zu müssen.
Wir möchten mit dem Schwarzbuch nicht nur kritisieren, sondern konstruktiv wirksam werden. Deshalb gibt es seit zehn Jahren in jedem Schwarzbuch ein Schwerpunktthema. Zweimal haben wir die Explosion von Baukosten in den Fokus genommen, dreimal das Thema Staatswirtschaft, wir haben uns mit der Wohnpolitik beschäftigt und mit Mischfinanzierungen, also Fördermitteln und Subventionen. Im vergangenen Jahr ging es um die Digitalisierung. Wir werten Studien aus, recherchieren Zahlen, arbeiten die Zusammenhänge heraus und machen Vorschläge, wie das Geld in den jeweiligen Bereichen effizienter eingesetzt werden kann. Mit konkreten Fällen zu diesen Themen zeigen wir, welche Auswirkungen die Probleme in der Praxis haben.
Der Bund der Steuerzahler hat auch immer wieder konkrete Vorschläge gemacht, wie Steuergeldverschwendung wirksamer geahndet werden könnte. Zuletzt hatte 2011 der Strafrechtsprofessor Bernd Schünemann ein Rechtsgutachten erstellt, in dem er konkrete Änderungen des bestehenden Rechtsrahmens vorschlägt: den neu zu schaffenden Straftatbestand der Haushaltsuntreue. Zusätzlich zu dem bestehenden Untreueparagrafen (§ 266 StGB) soll der neue Straftatbestand ausdrücklich auf die Steuergeldverschwendung durch Staatsdiener und Amtsträger abzielen, die wesentliche haushaltsrechtliche Vorschriften bewusst missachten, beispielsweise bei Zuwendungen, Baumaßnahmen oder größeren Beschaffungen. Es geht also darum, vorsätzlichen Missbrauch von Steuergeld zu bestrafen.
Damit soll auch der weit überwiegende Teil der Amtsträger, die sorgsam und verantwortungsvoll mit dem Steuergeld umgehen, vor pauschalen und falschen Verdächtigungen geschützt werden. Doch trotz konkreter Vorschläge, wie das Geld der Steuerzahler künftig besser geschützt werden kann, legen die Abgeordneten des Deutschen Bundestags wenig Ambitionen an den Tag, wenn es darum geht, das Strafrecht wirksam gegen die Verschwendung in Position zu bringen. Wer sägt schon gerne am Ast, auf dem er sitzt?
Nun mögen Sie fragen – und diese Frage hören wir jedes Jahr – „Was nützt denn das Schwarzbuch, was ändert sich?“
Darauf gibt es mehrere Antworten.
Das Schwarzbuch wirkt präventiv. Wer öffentlich Kritik befürchten muss, überdenkt seine Entscheidungen. Dafür haben wir jedes Jahr Beispiele im Schwarzbuch. Sie finden sich im Kapitel „Erfolge“. Aktuell konnten wir verhindern, dass eine 66jährige Frau wenige Monate vor Rentenbeginn von der Arbeitsagentur in Krefeld zu einer Maßnahme zur „Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit“ verdonnert wurde. Auf unsere Intervention hin gab man zu, dass der Zeitpunkt für eine solche Maßnahme wohl nicht der richtige sei.
Das Schwarzbuch bewirkt einen Bewusstseinswandel, der sich langfristig bemerkbar macht. In den 1970er Jahren berichteten wir ständig über total überzogene Empfänge, Festlichkeiten und Bankette. In Düsseldorf zum Beispiel wurde 1978 die 500. Verkehrsampel mit Erbsensuppe, Würstchen und Bier gefeiert. Auch Polittourismus war ein immer wiederkehrendes Thema. Sehr unterhaltsam waren die Fälle von Pfennigfuchserei: Weil bei der Überweisung der Müllgebühren statt 11,01 DM nur 11,00 DM überwiesen wurden, hatte die Stadtverwaltung der Stadt Kerpen den Gerichtsvollzieher losgeschickt. Er sollte den noch fehlenden Pfennig einschließlich 6,50 DM Bearbeitungsgebühren eintreiben. Um nur ein Beispiel zu nennen.
All diese Themen spielen heute nur noch eine sehr untergeordnete Rolle bei unseren Recherchen.
Das Schwarzbuch fördert die Diskussion über einen sparsamen und wirtschaftlichen Einsatz von Steuergeld. Das ist wichtig, denn ein demokratisches Staatswesen lebt von aktiven, interessierten und informierten Bürgern. Indem wir Fälle von Steuergeldverschwendung öffentlich machen, helfen wir Bürgern, dass sie sich gut informiert in die Diskussion über die Verwendung ihres Steuergelds einbringen können. So entsteht eine Identität als Mitglied des politischen Gemeinwesens – eine wichtige Voraussetzung auch für die Akzeptanz politischer Entscheidungen.
Die wenigsten von uns werden erleben, wie das 100. Schwarzbuch „Die öffentliche Verschwendung“ vorgestellt wird. Aber ich bin sicher, dass es diese Jubiläumsausgabe im Jahr 2072 geben wird. Das Schwarzbuch wird nicht überflüssig, denn Fehler und Fehlentscheidungen wird es immer geben. Umso wichtiger bleibt es, sie aufzudecken. Das tun wir seit 50 Jahren.
Und so sind auch in diesem Jahr wieder vier Teams vom Bund der Steuerzahler ausgeschwärmt, um Fälle von Steuergeldverschwendung öffentlich zu machen: Zwei Kolleginnen stellen in Neukirchen-Vluyn ein Wasserspiel vor, das mit Corona-Mitteln finanziert wurde. In Burscheid wurde eine steile Rampe an der Balkantrasse angelegt, um die Burscheider Innenstadt anzubinden – dabei gibt es schon Radwege von der Trasse zur Innenstadt. In den Kreisen Paderborn und Höxter müssen Fahrplanmasten an Haltestellen ausgetauscht werden, weil sie eckig sind und nicht vorschriftsmäßig rund. Diesen Fall präsentieren zwei Kollegen. Und zwei Kollegen stehen in Rheine vor der Baustelle des Rathauszentrums. Die Baukosten haben sich mittlerweile fast vervierfacht.
Wir sind gespannt, was uns die nächsten 50 Jahre bringen.