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Drogeriemarkt: Darf Produkte nicht mehr als "klimaneutral" oder "umweltneutral" bewerben

28.07.2023, https://onlineservice.addison.de/1748528759/urlapi/xml/aktuell/show/id/18646

Der dm-Drogeriemarkt darf Produkte (hier exemplarisch herausgegriffe Flüssigseife, Sonnenmilch und Cremedusche) nicht mehr mit dem Begriff "klimaneutral" und Spülmittel nicht mehr mit dem Begriff "umweltneutrales Produkt" auf der Verpackung bewerben. Dies hat das Landgericht (LG) Karlsruhe entschieden.

Die Werbung mit dem Begriff "klimaneutral" sei bei zwei der herausgegriffenen Produkte nach § 5a Absatz 1 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu unterlassen, weil dm dem angesprochenen Verbraucher wesentliche Informationen zum Verständnis dieses Begriffs vorenthält. Das Unternehmen habe bei den betroffenen Produkten jeweils angegeben, das Produkt sei klimaneutral im Sinne von CO2-kompensiert.

Weitere Informationen dazu fänden sich auf der Verpackung nicht, wohl aber seien sie auf Internetseiten der ClimatePartner GmbH zu finden, von der dm das entsprechende Logo bezogen habe. Auf eine Internetseite für die näheren Informationen zu verweisen, sei zwar rechtlich zulässig, so das LG. Der Verbraucher müsse aber aus dem Aufdruck auf der Verpackung erkennen können, dass es eine entsprechende Internetseite gibt. Dies sei bei zwei der herausgegriffenen Produkte nicht der Fall, weil hierbei lediglich zusammen mit dem Logo der ClimatePartner GmbH der Schriftzug "ClimatePartner" und eine längere Ziffernfolge angegeben sind.

Die Werbung mit dem Begriff "klimaneutral" sei ferner bei allen drei herausgegriffenen Produkten nach § 5 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nr. 1 UWG zu unterlassen, weil sie ein klimaneutrales Produkt verspreche, dieses Versprechen aber aus prinzipiellen Gründen nicht einlösen könne. Dabei komme es nicht auf eine etwaige subjektive Absicht der Irreführung an, dafür sehe das LG auch keinerlei Anhaltspunkt. In objektiver Hinsicht erwecke der Claim indes bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein Verständnis, das nicht der Realität entspricht:

Die Kompensation der produktbezogen emittierten Treibhausgase solle bei den von ClimatePartner zertifizierten Produkten durch Zahlungen in bestimmte Projekte erfolgen, unter anderem ein Waldschutzprojekt in Peru. Zwar stelle der weltweite Schutz des Waldes ein wichtiges Mittel beim Klimaschutz dar. Daraus lasse sich jedoch nicht schlussfolgern, dass Treibhausgaskompensation über entsprechende Zertifikate auf dem freiwilligen Zertifikatemarkt die wettbewerbsrechtliche Berechtigung verleiht, das kompensierte Produkt als klimaneutral bewerben zu dürfen, betont das LG.

Der Claim der Klimaneutralität des Produkts gehe nämlich prinzipiell über das hinaus, was mittels CO2-Zertifikate aus Waldschutz erreichbar ist. Der Verbraucher erwarte, dass eine Kompensation von Emissionen, die im Ergebnis zur Klimaneutralität des Produkts führen soll, diese auch tatsächlich bewirkt. Das produktbezogen emittierte Treibhausgas müsse also dauerhaft bilanziell neutralisiert worden sein. CO2 besitze jedoch in der Atmosphäre eine Verweildauer, die weit über die Laufzeit der Waldschutzprojekte hinausgeht. Wald binde und speichere CO2 demgegenüber nur vorübergehend. Wenn ein Baum gefällt wird und vermodert oder auch abbrennt, setze er das gespeicherte Treibhausgas wieder frei.

Die produktbedingten, anthropogenen, zusätzlichen CO2-Emissionen seien hunderte oder tausende Jahre nachweisbar – gebunden und gespeichert werde die entsprechende Menge an CO2 durch das konkrete Waldschutzprojekt nur für Jahrzehnte. Danach sei die vorübergehend ausgeglichene CO2-Bilanz des Produkts wieder unausgeglichen. Um sie dauerhaft auszugleichen, müssten kontinuierlich – auch in 100 oder 1.000 Jahren – weitere entsprechende Waldschutzbemühungen unternommen werden. Das hier fragliche Projekt in Peru laufe jedoch nur bis 2040, die bis dahin ausgegebenen Zertifikate seien ein für allemal "verdient". Danach könne es zwar, wenn die grundlegenden Bedingungen sich nicht verändert haben, verlängert oder ein neues am selben Ort aufgesetzt werden. Daraus entsprängen dann aber neue handelbare Zertifikate für neue Emissionen.

Zur Werbung mit dem Claim "umweltneutrales Produkt" führt das LG aus, dass auch bei dem insoweit herausgegriffenen Produkt ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 5 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nr. 1 UWG vorliege. Die Werbung sei überschießend und damit unzutreffend.

Der neu kreierte Begriff der "Umweltneutralität" werde von den angesprochenen Verbrauchern im Sinne eines "Produkts mit ausgeglichener Umweltbilanz" verstanden. Die so beworbenen Produkte besäßen jedoch keine ausgeglichene Umweltbilanz. Denn bislang würden von dem GREENZERO-Ansatz nicht alle Umweltauswirkungen erfasst, sondern nur die Kategorien CO2-Emissionen, Eutrophierung (Nährstoffeintrag), Versauerung, Sommersmog und Ozonabbau. Auch wenn es sich bei diesen fünf Auswirkungen um die mit den relativ höchsten Umweltkosten handeln mag, verblieben immerhin acht von 13 Wirkkategorien von Umweltbelastungen – nach bisherigem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis – unberücksichtigt, so das LG. Das dm-Marketing für die Pro Climate-Produktlinie komme insofern verfrüht.

Es gelinge dm auch nicht, die – absolute, überschießende und mithin falsche – Behauptung der Umweltneutralität durch Erläuterungen auf der Verpackung so zu relativieren, dass nach dem Gesamteindruck des Verbraucherverständnisses eine zutreffende Werbung vorliegt. Dabei unterstelle das Gericht zugunsten des Unternehmens, dass der auf zwei Erläuterungen verweisende Sternchenhinweis auf der Verpackung trotz seiner geringen Größe und Positionierung am Rand der Verpackung vom Verbraucher überhaupt entdeckt wird. Doch bei näherer Betrachtung werde das aus der Werbung mit den Worten "umweltneutrales Produkt" fehlerhaft vorgeprägte Verständnis des Verbrauchers durch die näheren Erläuterungen letztlich verstärkt. Der Verbraucher erhalte den – unzutreffenden – Eindruck, das Produkt sei durch Reduktion und Kompensation von Umwelteinwirkungen unter dem Strich vollständig umweltneutral gestellt.

Landgericht Karlsruhe, Urteil vom 26.07.2023, 13 O 46/22 KfH

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