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Grundsteuer Musterklagen
© Pixabay / Frauke Riether

Bund der Steuerzahler und Haus & Grund erheben erste Musterklagen gegen Grundsteuerbewertung

Top News 09.11.2023

Verbände sind zunächst in Berlin und Rheinland-Pfalz aktiv / Bewertung der Grundstücke im Bundesmodell auf dem Prüfstand

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) und Haus & Grund unterstützen mehrere Eigentümer, die sich gegen die Bewertung ihrer Grundstücke im Rahmen der Grundsteuerreform wehren und vor das Bundesverfassungsgericht ziehen wollen. In Berlin und Rheinland-Pfalz wurden jetzt die ersten von uns begleiteten Klagen bei den Finanzgerichten eingereicht. Sobald die Aktenzeichen beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg bzw. beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz vorliegen, teilen wir dies umgehend mit.

Die Klagen richten sich gegen die Bescheide über die Feststellung des Grundsteuerwertes zum 1. Januar 2022 nach dem Bundesmodell. Die neue Bewertung war notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht die bisher geltende Bewertung für die Grundsteuer als verfassungswidrig erklärt und den Gesetzgeber aufgefordert hat, ein neues Bewertungsverfahren zu schaffen. Ab Januar 2025 sollen die Kommunen die neue Grundsteuer aufgrund der Bescheide über den Grundsteuerwert und die darauf festgesetzten Grundsteuermessbeträge erheben.

BdSt-Präsident Reiner Holznagel und Haus & Grund-Präsident Dr. Kai H. Warnecke halten die neue Bewertung im Bundesmodell aus zahlreichen Gründen für verfassungswidrig und unterstützen das Ziel, das neue Bewertungsverfahren vom Bundesverfassungsgericht erneut prüfen zu lassen. Im Rahmen der Klagen wird das Rechtsgutachten von Professor Dr. Gregor Kirchhof, das beide Verbände in Auftrag gegeben hatten, zur Begründung eingebracht. Der Verfassungsrechtler war zu dem Ergebnis gekommen: Das Grundsteuergesetz des Bundes ist verfassungswidrig! Vor allem die pauschal anzusetzenden Mieten bei der Bewertung der Grundstücke und die Bodenrichtwerte beeinflussen die Werte der Grundstücke deutlich.

Berlin und Rheinland-Pfalz: Um diese Sachverhalte geht es

  1. Im Berliner Klageverfahren handelt es sich um eine vermietete Eigentumswohnung nahe einer Bahntrasse. Die Wohnung wurde mit einer Kaltmiete von 5,07 Euro pro Quadratmeter vermietet (zum Stichtag der Bewertung am 1. Januar 2022). Der Grundsteuerbescheid setzt nun eine angepasste monatliche Nettokaltmiete von 9,32 pro Quadratmeter als pauschalierte Miete nach dem neuen Bewertungssystem an. Dieser Wert ist knapp 84 Prozent höher als die erzielte Miete und daher realitätsfern. Der Wert ist auch tatsächlich nicht realisierbar! Und zwar vor dem Hintergrund, dass das Bürgerliche Gesetzbuch (§ 558 Abs.1, BGB) bestimmt, dass der Vermieter die Zustimmung zu einer Mieterhöhung nur bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen kann. Dies auch nur, wenn die Miete zum Zeitpunkt der beabsichtigten Erhöhung seit 15 Monaten unverändert war. Der Berliner Mietspiegel enthält in seiner Fassung 2021 als Mittelwert der ortsüblichen Miete lediglich einen Wert von 6,47 Euro pro Quadratmeter. Über diesen Wert kann der betroffene Eigentümer nicht hinausgehen. Sollte er dies dennoch versuchen, hat der Mieter die Möglichkeit, sich gerichtlich dagegen zur Wehr zu setzen.
  2. In Rheinland-Pfalz handelt es sich um ein vermietetes Einfamilienhaus, das für 650 Euro kalt vermietet wurde (zum Stichtag der Bewertung am 1. Januar 2022). Der Grundsteuerbescheid setzt aber einen Betrag von 895,52 Euro als pauschalierte Miete nach dem neuen Bewertungssystem an. Dieser Wert ist nicht nur knapp ein Drittel höher als die erzielte Miete, sondern auch tatsächlich nicht realisierbar: Die Eigentümerin hat im Jahr 2020 die zum damaligen Zeitpunkt vertraglich vereinbarte Miete von 650 Euro erhöhen wollen. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Mietpartei wurde es erforderlich, ein Miethöhegutachten in Auftrag zu geben, um das „Mieterhöhungsbegehren“ zu begründen. Der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige hat dann in seinem Gutachten vom 20. März 2020 eine ortsübliche Nettokaltmiete von 770 Euro ermittelt. Im Rahmen eines zivilrechtlichen Rechtsstreits über die Zulässigkeit der vorgenommenen Mieterhöhung holte das angerufene Amtsgericht Bingen am Rhein ein weiteres Miethöhegutachten durch Beauftragung eines öffentlich bestellten und vereidigten Gutachters ein. Auch das Miethöhegutachten vom 22. September 2022 kam für den Wertermittlungsstichtag – 19. Februar 2020 – auf eine ortsübliche Nettovergleichsmiete von 760 Euro. Die im angefochtenen Bescheid angesetzte Nettokaltmiete weicht somit deutlich von den beiden gutachterlich ermittelten Werten ab.

Berlin und Rheinland-Pfalz: Das Problem mit dem Bodenrichtwert

In allen Klagen, die wir noch einreichen werden, wird regelmäßig die Anwendung des Bodenrichtwertes kritisiert. Fakt ist: Beim Bundesmodell richtet sich die Grundsteuer insgesamt nach den Bodenrichtwerten. Das Steuerrecht nutzt diese Werte für unterschiedliche Abgaben. Dennoch ist die Steuerbemessung nach diesen durchschnittlichen Lagewerten zuweilen ungenau – vor allem dann, wenn Gutachterausschüsse für ein Gebiet fehlen, wenn die Kaufpreissammlungen nicht ausreichen, wenn ein Bodenrichtwert nicht vorhanden ist und daher Werte vergleichbarer Flächen heranzuziehen sind oder wenn lagebedingte Wertminderungen entstehen. Insgesamt weisen die Bodenrichtwerte laut Gutachten „systematische Bewertungslücken“ auf. Teilweise werden Flächen als bebaubar ausgewiesen, obwohl diese Grundstücke nicht erschlossen sind oder keine Baugenehmigung für sie erteilt werden kann.

Bodenrichtwerte quer durch Deutschland sind wenig vergleichbar. So hat zum Beispiel die hervorragende Berliner Wohnlage Wannsee zum 1. Januar 2022 einen Bodenrichtwert von 2.000 Euro. In der deutlich schlechteren Lage Berlin-Neukölln liegt der Wert – doppelt so hoch – bei 4.000 Euro. In Rheinland-Pfalz gibt es ähnliche Beispiele: So liegt in Mainz-Weisenau der Bodenrichtwert für ältere Etagenwohnungen in Hochhäusern in der Laubenheimer Straße bei 920 Euro, dagegen gilt in der deutlich besseren Lage Im Hasenstock – mit einer Bebauung von neuen Doppelhaushälften – ein Wert von 660 Euro. Ein weiteres Beispiel aus dem Bundesland findet sich in Koblenz: So hat die reizvolle Wohnlage in Moselweiß am Moselufer teils einen Bodenrichtwert von 400 Euro – in der weniger attraktiven Lage Koblenz-Goldgrube einer Gegend mit Reihenhäusern, beträgt der Bodenrichtwert 700 Euro.

Eigentlich erlaubt das Bewertungsgesetz den Eigentümern, einen niedrigeren tatsächlichen Wert nachzuweisen. Das Grundgesetz fordert diese Gegenbeweismöglichkeit. Um angesichts ungenauer Bodenrichtwerte einen „Verstoß gegen das grundgesetzliche Übermaßverbot zu verhindern“, ist laut Bundesfinanzhof „der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts“ verfassungsrechtlich geboten. Das Grundsteuermodell des Bundes aber verwehrt diesen Gegenbeweis ausdrücklich. Die Bodenrichtwerte wirken absolut, ohne dass der Eigentümer Widerspruch erheben kann.

Bund der Steuerzahler und Haus & Grund raten: Das können Eigentümer jetzt tun

Mit ihren Musterklagen lassen beide Verbände prüfen, ob die Neubewertung der Grundstücke nach dem Bundesmodell verfassungsmäßig ist. Eigentümer können sich auf diese Musterklage berufen und Einspruch gegen ihren Feststellungsbescheid über den Grundsteuerwert beim Finanzamt einlegen sowie das Ruhen des Verfahrens aus Zweckmäßigkeitsgründen beantragen. Kommt das Finanzamt dem Antrag nach, bleibt das Einspruchsverfahren bis zu einem Urteil in der Musterklage offen.

Einen allgemeinen Mustereinspruch finden Sie hier auf www.steuerzahler.de. Einen detaillierten Einspruch mit Verweis auf das Gutachten von Professor Dr. Kirchhof können BdSt-Mitglieder bei unseren entsprechenden Landesverbänden anfordern . 

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