"Wir brauchen knallharte Prioritäten!"
Regierungspräsident Böckelühr beim BdSt NRW
BdSt als Vorreiter für historisches Verfassungsgerichtsurteil
Karlsruhe stärkt die Schuldenbremse
Und Geschichte wiederholt sich doch! Mit seinem Urteil zur Schuldenfinanzierung des Klimafonds des Bundes hat das Bundesverfassungsgericht eine Lanze für die Schuldenbremse gebrochen. Damit haben die Richter zugleich klargestellt, dass ein aktiver Klimaschutz nicht mit einer soliden Haushaltspolitik konkurriert, sondern sich beide politischen Ziele auf grundgesetzlicher Augenhöhe einander ergänzen. Wegweiser für das historische Urteil aus Karlsruhe waren Vorarbeiten und Initiativen des BdSt, der sich als unabhängiges Finanzgewissen der Nation frühzeitig mit SPD, CDU/CSU, FDP und Grünen anlegte und deren allzu laschen Umgang mit der grundgesetzlichen Finanzverfassung kritisierte – und schließlich deren Haushaltstricks als verfassungswidrig bloßstellte.
Karlsruhe kassiert Taschenspielertrick
Mit ihrem aktuellen Urteil haben die Verfassungsrichter der Politik konkret untersagt, zur Pandemiebekämpfung vorgesehene Kredite kurzerhand für klimapolitische Ambitionen umzuwidmen. Genau das war die erste Amtshandlung der frisch gewählten Ampel-Koalition Ende 2021. Damals bunkerte der Bundeshaushalt noch ungenutzte Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Mrd. Euro, die ursprünglich zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie eingeplant waren, aber schließlich nicht benötigt wurden. Doch wollte die Ampel kurz vor Jahresende diese Kreditermächtigungen nicht einfach verfallen lassen, weshalb sie mit Buchungskniffen und lyrischer Begründung die noch ungenutzten 60 Mrd. Euro in den Schattenhaushalt „Klima- und Transformationsfonds – KTF“ (damals noch Energie- und Klimafonds) überführte. Ziel der Finanzakrobatik war es, so viele Ampelprojekte wie möglich im KTF mit Schulden zu finanzieren – und zwar über Jahre hinweg, selbst wenn die Pandemie lange überstanden ist.
BdSt leistet Pionierarbeit
Historisch war dieser Kniff nicht neu, denn bereits Mitte 2020 lieferte die große Koalition hierfür die Blaupause. Auch damals, frisch nach Ausbruch der Pandemie, war die grundgesetzliche Schuldenbremse bereits in den Notlagenmodus geschaltet, weshalb Union und SPD bei der Neuverschuldung aus dem Vollen schöpfen konnten. Die hohen Kreditermächtigungen wurden damals erstmals genutzt, um dem KTF außerplanmäßig über den Kapitalmarkt 26 Mrd. Euro zukommen zu lassen. Gestoßen hatte sich an dieser verfassungsrechtlich zweifelhaften Operation nur der BdSt. Der Verband stieß damals zusammen mit Prof. Dr. Gröpl von der Universität des Saarlandes in verfassungsrechtliches Neuland vor, denn Gerichtsentscheidungen zur Schuldenbremse gab es seinerzeit noch nicht.
Unser Rechtsgutachten attestierte den damaligen GroKo-Plänen einen mehrfachen Verfassungsbruch, vor allem mit Blick auf das Prinzip, durch (Notlagen-)Kredite einen Schuldenpuffer für künftige Jahre aufbauen zu wollen, wodurch verfassungsrechtlich zwingende Haushaltsgrundsätze missachtet würden. Dabei sei es unerheblich, ob dieser Schuldenvorrat als Rücklage im Bundeshaushalt oder in einem Sondervermögen angelegt wird. Aber: Parlamentarisch fand sich kein Kläger gegen das offenkundig verfassungswidrige Gesetzgebungs-Gebaren der großen Koalition und der BdSt hatte keine Klagebefugnis.
Ampel blind für Verfassungskonflikt
Auch wenn unser Rechtsgutachten öffentlich für Furore sorgte und bei Verfassungsexperten auf fruchtbaren Boden stieß, scherte sich die neue Ampel-Koalition dann ein Jahr später wenig um solche Bedenken. Das Ziel vor Augen, irgendwie, bei noch aktiviertem Notlagenmodus der Schuldenbremse, möglichst hohe Verschuldungsoptionen für künftige Jahre zur Verwirklichung von Prestigeprojekten zur Seite zu packen, adaptierte sie im Kern kurzerhand die Blaupause der GroKo ein Jahr zuvor – mit 60 Mrd. Euro nur in noch größerer Dimension. Die BdSt-Kritik folgte prompt, mit der Mahnung, dass die Ampel sehenden Auges ein verfassungswidriges Gesetz beschlossen habe. Doch anders als noch im Vorjahr reagierte diesmal die parlamentarische Opposition und zog vor das Bundesverfassungsgericht.
Nun das Premieren-Urteil zur Schuldenbremse. Gleichfalls attestierte das Bundesverfassungsgericht dem Ampel-Vorhaben zur Umwidmung von 60 Mrd. Euro notlagenbedingten Kreditermächtigungen zugunsten des KTF mehrfachen Verfassungsbruch. Basis der richterlichen Begründungen sind die westlichen Sachargumente des Rechtsgutachtens von BdSt und Prof. Gröpl aus dem Jahr 2020.
Auch Länder müssen umplanen
Bedeutend an der erstmaligen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse ist vor allem die Stärkung verfassungsrechtlicher Haushaltsgrundsätze, wie den Prinzipen der Jährlichkeit, Haushaltswahrheit und -klarheit oder Fälligkeit – die immer gelten, und zwar unabhängig von den Schuldenregeln im Rahmen einer Normallage mit gedeckelter Neuverschuldung oder Notlage mit erhöhten Neuverschuldungsmöglichkeiten.
Diese Klarstellungen haben nicht nur Konsequenzen für die Haushaltspolitik des Bundes, sondern auch der Länder, zumal mehrere Bundesländer ähnliche Schulden-Konstrukte wie der KTF des Bundes beschlossen haben oder zumindest planen. All diese Umgehungsversuche der grundgesetzlichen Schuldenbremse sind nun zu überprüfen und höchstwahrscheinlich wegen offenkundiger Verfassungswidrigkeit zum Scheitern verurteilt. Das weitreichende Urteil der Verfassungsrichter hat die Schuldenbremse im Grundgesetz ungemein gestärkt, denn politisch motivierten Missinterpretationen der Schuldenregeln haben die Richter eine klare Abfuhr erteilt. Die Schuldenbremse gilt – und zwar genau so, wie sie im Grundgesetz steht!
Jetzt ist die Zeit für Prioritäten!
Faktisch hat das Gericht dadurch der expansiven Ausgabenpolitik der Ampel-Koalition deutliche Grenzen gesetzt – vor allem mit Blick auf das exzessiv praktizierte Auslagern von schuldenfinanzierten Ausgaben in Schattenhaushalte jenseits des Bundesetats. Mit Blick auf den KTF heißt das konkret: Dieses Sondervermögen muss nun von Grund auf bereinigt werden, weil die Richter dem Fonds mit sofortiger Wirkung die Finanzierung von Ausgaben mittels Schulden im Umfang von 60 Mrd. Euro verweigern!
Zugleich unterwirft Karlsruhe die oft langfristig angelegten Sondervermögen den verfassungs-rechtlichen Haushaltsprinzipien, die (für den jeweils ein Jahr lang geltenden) Bundeshaushalt anzuwenden sind. Dadurch können diese Schattenhaushalte nicht mehr durch eine einmalige Entscheidung des Gesetzgebers im Anschluss über Jahre hinweg auf Pump finanziert werden. Kreditermächtigungen auf Vorrat sind tabu!
Die Folge: Nun muss die Ampel alle ihre schuldenfinanzierten Sondervermögen kritisch unter die Lupe nehmen und gegebenenfalls neu justieren. Faktisch muss als erstes Sondervermögen der Klima- und Transformationsfonds deutlich abspecken. Im Fonds bleiben vorläufig noch eigene Einnahmen aus dem europäischen Emissionshandel und der nationalen CO2-Besteuerung in Höhe von rund 20 Mrd. Euro – die aber wegen anziehender CO2-Preise in den kommenden Jahren deutlich steigen werden. An diese Einnahmen müssen die deutlich überhöhten Ausgaben jetzt angepasst werden. Beibehalten sollte die Politik am Ende der Konsolidierung die nachweislich effektivsten und gesamtgesellschaftlich wichtigsten Maßnahmen. Jetzt ist die Zeit für Prioritäten!