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Keine echten Gehwegvorstreckungen
© Steffen Bernitz

Verkehrsberuhigung am Chamissoplatz

Bund der Steuerzahler Berlin e. V. / Meldungen 30.06.2023, Alexander Kraus

Neue Poller und Fahrradbügel werden ersetzt

Im Rahmen einer umfangreichen Verkehrsberuhigung hatte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg im Dezember 2022 rund um den Chamissoplatz zahlreiche Poller und Fahrradbügel einbauen lassen. Offenbar hatte das Bezirksamt die Rechnung aber ohne den Denkmalschutz gemacht. Ein Teil der rot-weiß reflektierenden Poller mussten im Mai 2023 schon wieder gegen historische Poller ausgetauscht werden. Da diese nicht unmittelbar auf der Straße stehen dürfen, werden für den Bau von Gehwegvorstreckungen auch Fahrradbügel wieder ausgebaut. War das wirklich als Provisorium gedacht?

Der Chamissoplatz in Berlin-Kreuzberg stellt eines der letzten fast komplett geschlossen erhaltenen Gebäudeensembles aus der Gründerzeit dar. Der Platz steht zusammen mit den anliegenden Straßen samt Kopfsteinpflaster und Gaslaternen unter Denkmalschutz.

Nachdem im Dezember 2022 im Rahmen von mehreren Baumaßnahmen im Kreuzberger Bergmannkiez auch die Arbeiten rund um den Chamissoplatz abgeschlossen waren, kochte der Ärger unter einigen Anwohnern über Durchfahrtsperren, Halteverbote und Fahrradbügel hoch. Auf besonders viel Widerspruch stießen aber vor allem die rot-weiß reflektierenden Poller, die so überhaupt nicht zum historischen Kopfsteinpflaster passen wollten.

Anfang Mai 2023 informierte das Bezirksamt mit einer Pressemitteilung, dass die im vergangenen Jahr durch Poller eingerichteten Gehwegvorstreckungen am Chamissoplatz jetzt baulich umgesetzt werden. Durch diese bauliche Umsetzung könnten nun einige der temporär installierten rot-weißen Poller durch historische Poller ersetzt werden. Das Gesamtbild des Platzes werde dadurch erhalten und gleichzeitig die Verkehrssicherheit langfristig erhöht. Die Umsetzung in dieser Form sei mit der Denkmalschutzbehörde abgestimmt.


„Es geht darum, den Durchgangsverkehr flächendeckend aus dem Kiez herauszuhalten. Es wird sich auch die Be- und Versorgung daran gewöhnen müssen, dass sie eine andere Verkehrssituation vorfinden. Im Grundsatz wird sich an der Verkehrsberuhigung nichts ändern.", Bezirksstadträtin Annika Gerold in der rbb-Abendschau vom 7. Februar 2023.

Genau diese Aussage machte den Bund der Steuerzahler stutzig, denn im Februar hatte die Berliner Zeitung noch berichtet, dass sich die untere Denkmalschutzbehörde des Bezirksamtes nicht mit der Landesdenkmalschutzbehörde abgestimmt hätte. Diese hätte in einem Schreiben an die Anwohner von einer „entstellenden Umbaumaßnahme“ gesprochen, hieß es in dem Artikel mit dem Titel „Irrsinnige Bepollerung“.

Tatsächlich standen die rot-weißen Poller und Fahrradbügel unmittelbar auf dem historischen Straßenpflaster und eben nicht auf Vorstreckungen des Gehwegs.

Dem Bund der Steuerzahler teilte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg jetzt auf Nachfrage mit, dass am Chamissoplatz im Dezember 2022 insgesamt 66 Poller und 90 Fahrradbügel installiert worden waren. Die Maßnahme sei notwendig, da sich erfahrungsgemäß nicht alle „KfZ-Nutzer*innen“ an Schilder und markierte Sperrflächen halten würden. „Würden sich alle daran halten, bräuchte es keine Poller“, hieß es in der E-Mail des Bezirksamtes weiter.

Auf die Frage nach den Kosten für die Poller und Fahrradbügel inklusive Einbau verwies das Bezirksamt nur auf eine Drucksache der Bezirksverordnetenversammlung mit einer Kostenaufstellung von gut 262.000 Euro brutto für sämtliche Umbaumaßnahmen am Chamissoplatz und der benachbarten Fidicinstraße. Aus der Übersicht lässt sich allerdings nur entnehmen, dass die Aufstellung eines Fahrradbügels gut 114 Euro brutto und die eines Pollers gut 145 Euro brutto gekostet hat. Offenbar handelt es ich dabei lediglich um die Kosten für die Aufstellung der Poller und Fahrradbügel, die vom Auftraggeber bereitgestellt wurden.

Wissen wollte der Bund der Steuerzahler auch, wie viele Poller und Fahrradbügel für den erneuten Umbau wieder ausgebaut werden müssen. Hier teilte das Bezirksamt mit, dass sich die voraussichtlichen Kosten für den Ausbau von 38 rot-weißen Pollern auf ca. 900 Euro brutto und für 46 Fahrradbügel auf ca. 1.200 Euro belaufen würden. Die Poller und Bügel würden aber immerhin eingelagert und bei weiteren Straßenbaumaßnahmen des Bezirkes verwandt werden.

Auf die Frage des Bundes der Steuerzahler, ob vor Aufstellung der rot-weißen Poller 2022 die zuständige Denkmalschutzbehörde beteiligt worden ist, welchen Grund es dafür gab, die Umbaumaßnahme von 2022 zunächst lediglich temporär umzusetzen und ob von der zuständigen Denkmalschutzbehörde Bedenken gegen die rot-weißen Poller angemeldet worden sind, antwortete das Bezirksamt ausweichend.

Vor allem aus Gründen der Barrierefreiheit würden derzeit Gehwegvorstreckungen und Modalfilter – gemeint sind Durchfahrtssperren – am Chamissoplatz gebaut werden. Die untere Denkmalschutzbehörde sei beteiligt worden und hatte der Maßnahme zugestimmt. Nach der Installation der Poller und der öffentlichen Diskussion um den ästhetischen Eindruck am Standort Chamissoplatz, habe die Denkmalschutzbehörde das Straßen- und Grünflächenamt um Nachbesserungsmaßnahmen gebeten, hieß es in der E-Mail des Bezirksamtes. Diesem Ansinnen sei man „mit Blick auf die Akzeptanz bei der Umsetzung des Verkehrskonzeptes Bergmannkiez als Ergebnis eines mehrjährigen Beteiligungsprozesses nachgekommen“.

Immerhin verspricht das Bezirksamt, dass die ästhetisch geforderten Nachbesserungen kostengünstig erfolgen würden. Von vornherein sei ein zweistufiges Verfahren aus zunächst temporärer Installation und dann einer gegebenenfalls baulichen Umsetzung angestrebt gewesen. Die Gehwegvorstreckungen seien einem ersten Schritt zunächst ohne aufwändige bauliche Maßnahmen durchgeführt worden, um zu ermitteln, ob schon mit dieser kostengünstigen Variante die aus dem Beteiligungsverfahren ermittelten Zielstellungen, einer Verbesserung der Fußquerungen und Unterbinden des Durchgangsverkehrs im Nebenstraßennetz, zu erzielen seien.

Gemäß den Vorgaben der Straßenverkehrsordnung seien dabei rot-weiß-reflektierende Poller für den Verbau auf der Fahrbahn zu verwenden gewesen. Die nachträglich vorgebrachten Bedenken der Denkmalschutzbehörde seien daher vor dem Hintergrund der zunächst nur temporär installierten Poller relativ kostengünstig zu berücksichtigen, weil nur der Ausbau der Poller einen zusätzlichen Kostenpunkt darstelle. Durch das nunmehr bei Gehwegvorstreckungen vorgenommene Vorziehen der Bordsteinkante in den Fahrbahnbereich sei der Einbau von deutlich weniger rot-weiß reflektierenden Pollern erforderlich, so dass historische Poller ohne Reflektionsflächen verbaut werden könnten, heißt es vom Bezirksamt weiter.

Alexander Kraus, Vorsitzender des Bundes der Steuerzahler Berlin versucht sich an einer Übersetzung: „Offenbar hat das Bezirksamt nur seine eigene untere Denkmalschutzbehörde gefragt und dann von der zuständigen oberen Landesdenkmalschutzbehörde etwas auf die Finger bekommen und muss das jetzt wieder in Ordnung bringen.“ Zumindest die Kosten für den temporären Ein- und Ausbau von 38 der 66 Poller und von 46 der 90 Fahrradbügel in Höhe von gut 13.000 Euro hätte man hier sparen können, wenn gleich der vom Denkmalschutz geforderte Einbau von historischen Pollern umgesetzt worden wäre.

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