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Klima-Volksentscheid

Bund der Steuerzahler Berlin e. V. / Meldungen 09.03.2023, Alexander Kraus

Kann man Klimaneutralität einfach wählen?

Kurz nach der Wiederholungswahl dürfen die Berliner am 26. März 2023 erneut an die Wahlurnen treten. Zur Abstimmung steht der Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“. Für den Bund der Steuerzahler stellt sich die Frage, wie sich ein solches Volksgesetz auf den Landeshaushalt auswirken könnte.

Alle wahlberechtigten Berliner sollten kürzlich Benachrichtigungsschreiben zum Volksentscheid „Berlin 2030 klimaneutral“ im Briefkasten vorgefunden haben. In dem Briefumschlag enthalten ist auch die amtliche Broschüre, die nicht nur Hinweise des Landeswahlleiters enthält, sondern auch den Wortlaut des von der Trägerinitiative vorgelegten Gesetzentwurfs, über den abgestimmt wird, sowie eine ellenlange Begründung.

Nach dem Berliner Abstimmungsgesetz ist ein Gesetzentwurf durch Volksentscheid angenommen, wenn die Mehrheit der Teilnehmer und zugleich mindestens ein Viertel der Stimmberechtigten zustimmt. Die Regelungen treten dann also unmittelbar in Kraft; es gibt keinen doppelten Boden.

Worüber wird eigentlich abgestimmt?

Abgestimmt wird über einen Gesetzentwurf zur Änderung des bestehenden Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetzes, das die Klimaneutralität von Berlin derzeit noch ab dem Jahr 2045 vorsieht. Die Initiatoren des Volksentscheids wollen diesen Termin auf 2030 vorziehen und sehen auch einige andere verschärfte Formulieren vor. Nach dem Gesetzentwurf soll das Land Berlin zur Emissionsminderung von mindestens 70 Prozent bis 2025 und zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2030 verpflichtet werden.

Leser der amtlichen Broschüre werden den Gesetzentwurf in Form eines Artikelgesetzes für sich genommen aber kaum verstehen können, weil dort nur Streichungen und Ersetzungen von einzelnen Worten oder Wortgruppen erfolgen. Eine synoptische Leserfassung des Gesetzentwurfs findet sich nur auf der Webseite der Initiatoren. Aber auch so wird sich das „EWG Bln“ mit vielen spezialgesetzlichen Regelungen nicht jedem Laien unmittelbar erschließen.

Jedenfalls werden Ziele zur Vermeidung und Reduzierung von Kohlendioxid- und sonstigen Treibhausgasemissionen zu Verpflichtungen. Die Rede ist von Sektorverpflichtungen insbesondere in den Sektoren Energieversorgung, Gebäude, Wirtschaft und Verkehr.

Was könnten die Konsequenzen sein?

Hellhörig macht den Bund der Steuerzahler insbesondere, dass bei einer Erhöhung der Nettowarmmiete für Wohnraum aufgrund dieses Gesetzes, der Erhöhungsbetrag dem Zahlungspflichtigen als monatlicher Zuschuss aus dem Landeshaushalt zu erstatten sei! Ob selbstnutzende Wohneigentümer damit leer ausgehen sollen, bleibt unklar.

Schließen kann man daraus aber, dass also offenbar keineswegs nur der staatliche Sektor, sondern auch der private Sektor verpflichtet werden soll. Mit Energieversorgung dürfte also auch die Versorgung mit Strom, warmen Wasser und Heizung auch für Wohnraum gemeint sein. Gebäude dürften also auch Wohnhäuser sein. Mit Wirtschaft wären auch Unternehmen vom Handwerksbetrieb, dem Handelsgeschäfts bis zur Industrie gemeint. Beim Verkehr müsste man sich folglich überlegen, dass derzeit selbst elektrische Busse und U-Bahnen in der Gesamtbetrachtung nicht klimaneutral fahren, wenn der Strom dafür nicht vollständig erneuerbar hergestellt wird.

Für verdächtig hält der Bund der Steuerzahler Berlin zudem den Umstand, dass der Gesetzentwurf keine Sanktionen für Verfehlungen der Klimaschutzverpflichtungen vorsieht. Stattdessen wird der Senat aufgefordert, einen Sanktionsmechanismus in das Gesetz einzufügen. Dem Bürger wird also suggeriert, dass er durch bloße Abstimmung Klimaneutralität bis 2030 erreichen könne. Es wird ihm aber nicht gesagt, was ihm blüht, wenn er selbst diese Verpflichtungen nicht einhalten kann. Hier wird der schwarze Peter von den Initiatoren an die Regierung weitergereicht.

Sind die Klimaschutzverpflichtungen realistisch?

Der Berliner Senat hatte sich bereits in einer Stellungnahme vom Mai 2022 an das Berliner Abgeordnetenhaus ablehnend zu den Zielen des vorangegangen Volksbegehrens geäußert. Der Gesetzentwurf sei zwar formal zulässig und mit höherrangigem Recht vereinbar. Dennoch hatte der Senat dem Abgeordnetenhaus empfohlen, den Gesetzentwurf nicht anzunehmen, weil er die damit gesteckten Zielsetzungen für unerreichbar hält.

Auch auf die Kosten und die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der für die Dekarbonisierung erforderlichen Maßnahmen ginge das Volksbegehren nicht konkret ein. Das Volksbegehren versuche, das Land Berlin auf Ziele zu verpflichten, die einzuhalten nicht in der Macht des Landes stünden und verkenne die Grenzen der klimapolitischen Gesetzgebungs- und Handlungsmöglichkeiten auf Landesebene. Zugleich blende es die zentrale Rolle aus, die der Bund und die Europäische Union bei der Gestaltung des Übergangs zur Klimaneutralität spielen müssen.

In seiner amtlichen Kostenschätzung teilte der Senat mit, dass sich die Kosten für das Land Berlin nicht seriös beziffern ließen. Nach konservativer Schätzung müsse für die Erreichung der Klimaneutralität in Berlin bis 2030 mit gesamtwirtschaftlichen Investitionskosten mindestens in hoher zweistelliger Milliardenhöhe gerechnet werden. Welcher Anteil davon aus dem Landeshaushalt zu finanzieren wäre, können gegenwärtig nicht abgeschätzt werden. Angemerkt sei, dass die Stellungnahme von der grünen Klimaschutzsenatorin Bettina Jarasch mitgezeichnet ist, die nicht gerade verdächtig ist, eine Klimaleugnerin zu sein.

Was sagt der Bund der Steuerzahler Berlin

Dass Berlin schon 2030 klimaneutral sein könnte, klingt zu schön, um wahr zu sein. Bereits in gut sechseinhalb Jahren den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen im Vergleich zu 1990 um 95 Prozent gesenkt zu haben, klingt sportlich, selbst wenn man bedenkt, dass wir bis 2020 immerhin schon gut 49 Prozent Reduktion geschafft haben. Man könnte aber auch sagen, dass wir das erst geschafft haben, weil das womöglich auch am ruhenden Verkehr im ersten Corona-Jahr gelegen haben dürfte. 2019 lagen die Emissionen nämlich nur um 41,1 Prozent unter dem Niveau von 1990.

Nun entsteht Kohlendioxid nicht nur bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen in Kraftfahrzeugen und Heizungen, sondern auch bei der Herstellung von Strom für Elektrobusse, -autos und U-Bahnen, sofern dieser nicht aus Wind-, Sonnen- oder Atomenergie gewonnen wird. Kohlendioxid entsteht aber auch bei der Zementherstellung für die geplante Ausweitung des Wohnungsbaus, für den Bau von U-Bahntunneln und Brücken und selbst bei der Herstellung und dem Transport von Lebensmitteln.

Dass es die öffentliche Hand stemmen könnte, in den kommenden sechseinhalb Jahren alle öffentlichen Gebäude von der Schule über das Verwaltungsgebäude bis zur Polizeiwache mit Dämmung, neuen Fenstern und klimaneutralen Heizungen zu versehen, erscheint angesichts des Schuldenstands, anstehender Pensionsverpflichtungen und des ohnehin seit Jahrzehnten aufgelaufenen Sanierungsrückstaus einigermaßen abwegig. Bei bestehender Schuldenbremse müssten im Gegenzug Ausgaben für andere Politikbereiche gestrichen werden. Ein Ausnahmetatbestand dürfte der Klimawandel nicht sein, da er seit Jahrzehnten bekannt und Daueraufgabe staatlichen Handelns ist.

Gleiches gilt auch für den privaten Sektor. Fast zwei Millionen Wohnungen und zahlreiche Gewerbeimmobilien gilt es energetisch zu ertüchtigen. Der Kapitalbedarf hierfür dürfte immens sein. Nicht jeder Immobilieneigentümer wird das aus eigener Tasche bezahlen können. Senioren werden womöglich für Einfamilienhaus keine Finanzierung bekommen. Realwirtschaftlich erscheint es unrealistisch, dass in den nächsten sechseinhalb Jahren diese Bauleistungen überhaupt erbracht werden können. Welche Sanktionen bei Nichtbeachtung drohen, spart der Gesetzentwurf vorsorglich aus.

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